Halleluja!

Sonja Zimowski

»Wir machen eine Chorreise nach Tansania« – dieser Satz löst bei den meisten Menschen doch eher Erstaunen aus, wenn man nicht sogar gleich für leicht verrückt erklärt wird. Allerdings meldeten sich damals die 42 Mitreisenden sehr schnell an, als wir in unserem Eltern- und Freundeschor diese Idee vorschlugen. Auch wussten alle, dass wir seit zehn Jahren eine intensive Beziehung und Patenschaft zur ELU-School in Morogoro pflegen. Der Gründer und Leiter, Erasto Luanda, versucht in seiner Children Care, Nursery, Primary und Secondary School seit 1997 mit reformpädagogischen Ideen dem veralteten britischen Schulsystem etwas entgegenzusetzen. Wir waren selber bereits dreimal, einmal sogar auch für ein halbes Jahr dort und konnten viele Beziehungen aufbauen. Außerdem hatten wir 2015 einen kleinen freien Chor aus Morogoro »The Majestic Free Group« in unserer Schule zu Gast, mit dem wir gemeinsam das Weihnachtskonzert »Jambo Messiah« gesungen haben. Nun stand der Gegenbesuch aus.

Mitte Oktober letzten Jahres machten sich sechs Schüler, die in Verlängerung ihres Sozialpraktikums in Tansania geblieben waren, fünf Lehrer und 31 Mitglieder unseres Chores auf die Reise. In Daressalam bei 35 Grad wurden wir von Erasto und seinem Musiklehrer Uncle Msimbe am Flughafen herzlich begrüßt. Im großen roten Bus von »Abood«, der uns für vierzehn Tage zur Verfügung stand, ging es dann auf direktem Weg nach Morogoro – vier Stunden voller aufregender Überholmanöver, erster Eindrücke links und rechts der Landstraße von kleinsten Hütten soweit das Auge reicht – Tansania ist noch immer eines der ärmsten Länder weltweit –, aber auch vieler Gespräche mit unseren Gastgebern, die eine so große Vorfreude ausstrahlten, dass alle ganz überwältigt waren.

Singen verbindet

Ziel der Fahrt war das St. Thomas Youthcenter, ein Hostel, das von vier warmherzigen Schwestern geleitet wird, die auf dem oasenhaften Gelände am Stadtrand Morogoros und am Fuße der Uluguru Mountains ein Hospital, einen kleinen Konvent, eine Kapelle und das Hostel betreiben. Dies war nun unser »Zuhause« für die nächsten zehn Tage, um von dort aus zu wandern, auf Safari in den Mikumi-Nationalpark zu fahren und die Stadt und das Umland zu erkunden. Aber hauptsächlich haben wir natürlich gesungen: in insgesamt sieben »Begegnungskonzerten« immer mit anderen Chören oder Gruppen zusammen.

In Morogoro konzertierten wir mit der »Majestic Free Group« und den Chören der lutherischen Gemeinde – bis zu vier Stunden lang! Deren leidenschaftlicher Höhepunkt war immer das große »Halleluja« aus dem Messias von Händel, das von allen tansanischen Chören auswendig beherrscht wird. Ein Chormitglied kommentierte: »Wenn das der liebe Gott nicht hört, dann weiß ich auch nicht …«

Die ELU-School in Morogoro

Zentraler Programmpunkt war der Besuch der ELU School, ein Tag in Begleitung des Unterrichts und ein Tag beim hervorragend organisierten Elterntag. Nach einer Schulführung hatten wir ein kleines Unterrichtsprojekt vorbereitet, wobei unsere Leute in Kleingruppen mit Unterrichtsideen von Solartechnik bis Laternen anmalen, von Volkstanz über Deutschstunde bis Wasserfarben malen und Reigentänzen in alle Klassen gingen und schnell in direkten Kontakt mit den Kindern kamen. Nach einem gemeinsamen Reis- und Bohnenessen gab eine Art Monatsfeier, in der wir unser Programm sangen und die Kinder uns auch einiges präsentierten.

Ein reicher Tag, dem der Elterntag folgte, der ebenfalls mit vielen gegenseitigen Vorführungen und Reden von Schülern und Kollegen, Begrüßungen und Geschenken der Eltern, Tanz und Essen gefeiert wurde.

In der Hekima-Waldorfschule in Daressalam

Nach zehn aufregenden und ereignisreichen Tagen in Morogoro ging es dann zurück nach Daressalam, zunächst zu der dortigen Waldorfschule »Hekima«. Hier lernen etwa 140 Kinder in sieben Klassen auf einem traumhaften Grundstück, das sich im Norden der Stadt auf einem Hügel bis in das nächste Tal hinein ausbreitet, bewachsen mit vielen Palmen und wildem Busch, mit großzügigen Spielflächen und üppigem Schulgarten, der die Gemüseversorgung der Schulküche gewährleistet.

Das Schulgebäude besteht aus zwei so geschickt angeordneten Hälften, dass sich in der Mitte eine Art Aula mit zwei unterschiedlichen Ebenen für Zuschauer und Darsteller bildet. Wir musizierten, tanzten und rezitierten hier in einer bunten Mischung von europäischer und afrikanischer Kultur. Mit einigen der teilweise langjährigen Kollegen ergaben sich schnell intensive Gespräche.

Der Hunger nach Austausch war deutlich spürbar. Wir besichtigten den großen Schulgarten, den Kindergarten, die offene Tischlerwerkstatt und die Schulküche. Besonders schön war, dass Erasto aus Morogoro auch dabei war und hier ein feiner neuer Kontakt entstanden ist.

Mit Bischof und Botschafter

Am Nachmittag erlebten wir auch noch die Regenzeit, also einen tropischen Starkregen, der Straßen und weite Gebiete in Schlammflächen verwandelt, sodass die Strecke vom Norden der Stadt bis zum Süden in unser Strandquartier vier Stunden dauerte. Hier konnten wir entspannt die letzten drei Tage verbringen. Ob schwimmend im Ozean, am Strand oder auf Erkundung im Binnenland. Am letzten Nachmittag fand dann das große Konzert in der Kathedrale von Daressalam statt. Auch dieser Weg war nur mit viel Abenteuer, steckengebliebenem Bus und überfüllter Fußgängerfähre zu bewältigen.

Dort erwarteten uns die fünf Chöre der Asania Front Church, der Bischof Malasusa und der deutsche Botschafter zu unserem Abschlusskonzert, welches, wie konnte es anders sein, mit dem großen »Halleluja« endete.

Zu den Autoren: Sonja und Kolja Zimowski sind Musiklehrer an der Rudolf-Steiner-Schule Hamburg-Wandsbek.