Der Volksentscheid in Hamburg habe ein Grundproblem des deutschen Schulwesens sichtbar gemacht, das ganz unabhängig vom Ausgang dieses Volksentscheids bestehe: »Statt einen produktiven Wettbewerb unterschiedlicher Schulformen zuzulassen, wie das in Skandinavien oder Holland selbstverständlich ist, gibt es hierzulande immer nur ein Entweder-Oder«, so Kullak-Ublick. »Chancengerechtigkeit kann es im Bildungswesen aber nur geben, wenn die Eltern überhaupt eine Wahl haben.« Mehrheitsentscheidungen seien unabhängig davon, ob sie parlamentarisch oder durch einen Volksentscheid zustande kämen, das ungeeignete Mittel, um über die richtige Schulform zu entscheiden.
Der Hamburger Volksentscheid werde dem Willen von mindestens 40% der Abstimmenden nicht gerecht. Dabei seien die Stimmen eines Großteils der Familien, in denen Deutsch nicht Muttersprache sei, noch gar nicht mitgezählt, weil sie als ausländische Staatsbürger nicht hätten abstimmen können. Gerade deren Kinder hätten aber von einer längeren gemeinsamen Schulzeit besonders profitieren können. »Die acht Hamburger und über 200 Waldorfschulen in Deutschland beweisen seit Jahrzehnten, dass Schüler unabhängig vom angestrebten Schulabschluss sogar bis hinauf zur 12. Klasse vom gemeinsamen Lernen ohne Auslese profitieren.«
»Chancengerechtigkeit und die so oft beschworene Durchlässigkeit unserer Schulen werden wir erst erreichen, wenn die Kinder aus allen sozialen Schichten Zugang zu einer selbst gewählten Schule in staatlicher oder freier Trägerschaft bekommen«, so Kullak-Ublick weiter. Pädagogische Initiative könne sich ohne Vielfalt nicht entwickeln. »Die Aufgabe des Staates ist nicht, die Unterschiede zu nivellieren, sondern die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass alle an einem pluralistischen Schulwesen partizipieren können.«
Lesen Sie dazu den Standpunkt von Georg Wahrmund: »Hamburger Schlachten«.