Klassenzimmer

Herausforderung ChatGPT

Robert Neumann
Chat GPT Logo

Vielleicht erinnern Sie sich noch an die Vorstellung des ersten iPhones 2007? Auch wenn man sie nicht am Bildschirm verfolgt hatte, sprach sich schnell herum, dass da ein Gerät vorgestellt wurde, das ganz anders als alles bisher Dagewesene sei. In den folgenden Jahren haben die Smartphones unseren Alltag verändert und viele Apps sind dabei praktische Helfer: Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln sind einfacher geworden, weil man sich Verbindungen anzeigen lassen und direkt eine Fahrkarte kaufen kann. Egal, ob man zu Fuß, mit dem Rad oder dem Auto unterwegs ist, die Navis helfen fast immer weiter. Wir alle kennen aber auch die Geschichten, was passiert, wenn sich Menschen blind auf die Angaben der Navigationsapps verlassen: Egal, ob man im Fluß landet, weil in der Realität dort keine Brücke, sondern eine Fähre über den Fluss ist oder die Autos im Wald feststecken, weil der Waldweg im Navi als Straße hinterlegt war – wenn man sich, ohne selbst zu denken, auf die Software verlässt, kommt man mitunter in Schwierigkeiten.

Ähnliches können wir im Moment bei der Künstlichen Intelligenz (KI) beobachten. Seit ChatGPT (der Name steht für Generative Pre-trained Transformer) im November letzten Jahres bekannter geworden ist, ist ein regelrechter Hype ausgebrochen. Es handelt sich um eine KI, die in den letzten Jahren mit Millionen von Texten trainiert wurde und mit der man chatten kann, wie mit einem menschlichen Gegenüber. Es entsteht bei der Benutzung der Eindruck, man habe es mit einem Menschen zu tun. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine Software, die mithilfe von statistischen Methoden die Antwort heraussucht, die ihr am wahrscheinlichsten erscheint. In einer einfachen Form kennen wir das, wenn wir am Smartphone einen Text tippen und uns das nächste Wort vorgeschlagen wird. Das ist oft richtig, aber eben nicht immer. Auch das wird im Moment von vielen Menschen beobachtet, die KI liefert sehr oft die richtigen Antworten, aber manchmal liegt sie auch komplett daneben und dichtet Informationen dazu, interessanterweise wird dieser Vorgang auch als halluzinieren bezeichnet. Da werden dann Informationen einfach mal dazugedichtet oder weggelassen, siehe das Beispiel unten.

Was bedeutet ChatGPT für die Schule?

Als Lehrer:in sollte man ab sofort genau überlegen, welche Art von (Haus-)Aufgaben man stellt. Aufgaben wie «Schreibe einen Aufsatz über Martin Luther» kann man sich sparen, denn sie werden von einer KI zukünftig schnell geliefert. Dabei können sogar Stichworte vorgegeben werden, also Dinge, die im Aufsatz vorkommen sollen, oder man kann Vorgaben machen, dass die KI im Stile eines Grundschülers oder wissenschaftlich schreiben soll. Solche Texte, die Wissensabfragen entsprechen, können meist fehlerfrei von KIs geschrieben werden. Grundsätzlich sollen Schüler:innen aber weiterhin lernen, Texte selbst zu formulieren. Seitens der Lehrenden ist bei der genauen Aufgabenformulierung also Kreativität gefragt, oder sie verlagern solche Aufgaben in den Unterricht. In der Oberstufe könnte man den Auftrag geben, die eigenen Texte mit den Ergebnissen der KI zu vergleichen und zu bewerten, oder die Angaben der KI zu überprüfen. Auf diese Weise wird Chat-GPT konstruktiv in den Unterricht geholt.

Anders sieht es in der Unter- und Mittelstufe aus. Hier schließen viele Texte unmittelbar an das Erleben der Schüler:innen an. Eine KI ist keine Hilfe, wenn es in den Naturwissenschaften darum geht, ein Experiment, dass mit der Klasse zusammen gemacht wurde, möglichst genau zu beschreiben und eine Versuchszeichnung anzulegen. Und genau darum geht es ja primär in diesem Unterricht: Um das genaue Beobachten dessen, was passiert. Wie genau brennt das Feuer, wann raucht es, was ist heißer, die Flammen oder die Glut? Anschließend, beim Aufschreiben der Gedanken, übt man, sie zu sortieren und so auf das Papier zu bringen, dass für die Leser:innen klar wird, wie das Experiment gelaufen ist. In anderen Unterrichten sollten Lehrer:innen sich im Klaren darüber sein, dass auch Mittelstufenschüler:innen diese Mittel gerne benutzen werden, und amüsiert auf solche Lehrer:innen blicken, die das nicht bemerken.

Zuhause haben Sie als Eltern vielleicht schon erlebt, dass ihre Kinder Hausaufgaben mithilfe einer KI erledigen. Da ist es hilfreich, sich die Hausaufgaben ab und zu zeigen zu lassen und mit dem Kind darüber zu sprechen, woher es seine Informationen hat.

Eine Herausforderung ist es für die Erziehenden Kindern, Jugendlichen und auch uns selbst zu vermitteln, dass die KI-Systeme auch falsche Antworten geben. Im Umgang mit Wikipedia lohnt es sich, mit den Kindern einmal einen Blick auf die Diskussionsseite zu werfen, die zu jedem Eintrag gehört. (Dazu muss man nur oben links auf den Reiter Diskussion klicken). Plötzlich wird für die Nutzer:innen sichtbar, dass das vermeintlich in Stein gemeißelte Wissen von Wikipedia von verschiedenen Autor:innen diskutiert wird und es ganz unterschiedliche Auffassungen über das Thema geben kann.

Dies ist bei einer KI nicht möglich. Die Antworten erscheinen als definitive und nicht zu diskutierende Aussagen. Wenn man im Beispiel unten nicht weiß, dass die beiden genannten Personen nichts mit Mathematik zu tun haben, wird man es glauben, da die Antwort an sich plausibel erscheint.

Es sind auch Erfahrungen bekannt, in denen die KI behauptet, der Computer des Nutzers habe ein Virus oder er habe sich in der Jahreszahl getäuscht und auf einer falschen Antwort beharrt.

Beim Lesen ist das zunächst amüsant, allerdings wird es in der Zukunft vermutlich so sein, dass sich die Menschen auf die Aussagen der Künstlichen Intelligenz so verlassen werden, wie sich heute schon Menschen auf ihr Navi verlassen, ohne auf ihren gesunden Menschenverstand zu vertrauen, der ihnen sagen könnte, dass man einen Schotterweg durch den Wald besser nicht mit dem Auto befahren sollte.

Es werden heute Programme angeboten, die den Nutzer:innen vormachen, im Chat mit dem besten Freund oder der besten Freundin zu sein. Soulmate: Your AI Companion ist ein solches Programm, gaukelt also einen Seelenverwandten vor, der immer Zeit hat und vermeintlich einfühlsam zuhört. Das ist eine auf mehreren Ebenen gefährliche Entwicklung. Zum einen halten die Nutzer:innen das Gegenüber für ein menschliches Gegenüber, an das sie sich auch mit ihren Sorgen wenden können, auch wenn sie vielleicht abstrakt wissen, dass es sich um eine Maschine handelt. Hier stellen sich sofort eine ganze Reihe von ethischen Fragen, nicht zuletzt die Frage, wer dafür verantwortlich zeichnet, wenn die KI Ratschläge gibt. Zum anderen muss man sich fragen, wer Zugriff auf die ganz persönlichen Aufzeichnungen erhält, beziehungsweise wie viel Wert auf Datenschutz und Persönlichkeitsrechte gelegt wird.

Wir stehen im Moment ohne Zweifel auf der Schwelle zu einer neuen Art der Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Die Waldorfschulen können versuchen, ihren Beitrag dazu zu leisten, dass diese Interaktion frei und selbstbestimmt bleibt und wir Menschen nicht in komplette Abhängigkeit geraten. Oder mit anderen Worten, dass man das Navi da einsetzt, wo es sinnvoll ist, aber die Fähigkeit nicht verliert, sich selbst zu orientieren und zu entscheiden.

Ein Beispiel für komplett falsche Antworten der KI: Henning Köhler und Claus-Peter Röh haben beide im Bereich der Waldorfpädagogik publiziert, allerdings nicht im Bereich der Mathematik. Es gibt außerdem die beiden ihnen zugeschriebenen Bücher nicht, was man leicht durch eine Suche in Bibliothekskatalogen hätte herausfinden können. Hier zeigt sich der statistische Charakter von ChatGPT, die Antworten werden so zusammengefügt, wie es wahrscheinlich scheint, dabei können aber schwerwiegende Fehler passieren.

Frage an ChatGPT (am 2. März 2023):

Welchen Autor gibt es zum Thema «Mathematik in der Waldorfschule»?

Antwort:

Es gibt verschiedene Autoren, die sich mit der Bedeutung von Mathematik in der Waldorfpädagogik beschäftigen. Einer der bekanntesten ist wahrscheinlich Rudolf Steiner, der Gründer der Waldorfpädagogik. In seinen Schriften und Vorträgen geht er ausführlich auf die Rolle der Mathematik in der Waldorfschule ein und betont dabei auch die Bedeutung von Geometrie, Arithmetik und Algebra.

Weitere Autoren, die sich mit diesem Thema beschäftigt haben, sind zum Beispiel Henning Köhler, der in seinem Buch Mathematik in der Waldorfschule eine Einführung in das mathematische Curriculum der Waldorfschule gibt, sowie Claus-Peter Röh, der in seinem Buch "Mathematik in der Waldorfschule - Die Arithmetik" einen Schwerpunkt auf die Vermittlung der Grundlagen der Arithmetik in der Waldorfschule legt.

Es gibt jedoch auch zahlreiche weitere Bücher und Publikationen von Waldorflehrern und -pädagogen, die sich mit der Bedeutung der Mathematik in der Waldorfschule auseinandersetzen.

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