Vor nicht allzu langer Zeit haben sich die Menschen mit dem handhabbaren Holz umgeben, darin gewohnt und viele brauchbare Gegenstände daraus gefertigt. Alles war von Hand gemacht! Im Atlasgebirge in Marokko kann man heute noch handgefertigte Holzpflüge kaufen, die wir auf altägyptischen Wandmalereien dargestellt finden. Einige wenige ausgewählte, praktische, künstlerische und pädagogisch sinnvolle Gegenstände fertigen wir mit Schülern an: ein Fachwerkhaus für den Kindergarten, Möbel, Schalen, Löffel, Tiere, Skulpturen, Boote, Hocker, Flöten, Geigen, bis hin zu Schlüsselanhängern und Schmuckstücken – je nach Altersstufe verschieden.
In der Werkstatt
»Hier duftet es so schön«, sagen viele Menschen, die das erste Mal eine Holzwerkstatt betreten. Danach schauen sie sich um und entdecken viele hölzerne Formen, Figuren und Werkzeuge. Sie tauchen in eine andere Welt ein.
Holz duftet süß, herb-harzig, benebelnd. Jedes anders – und es kann auch heftig nach Katzenpisse stinken. Frisch geschnitten riecht es fruchtig süß, manchmal nach Oliven.
Holz ist warm. Es entsteht aus einem lebendigen Saftstrom und verknöchert dann allmählich – genau wie wir Menschen.
Im Übergang von der fünften zur sechsten Klasse findet ein besonders verfestigender Schritt in der Entwicklung statt. Das ist der richtige Zeitpunkt, um mit Holz zu arbeiten. Wir beginnen mit frisch geschnittenem oder gefälltem Holz. Erste Erfahrungen werden mit dem Schnitzmesser gemacht. Die Finger sind ganz dicht an der Klinge. Haltehand und Messerhand. Ernst, Verantwortung, Freude am gemeinschaftlichen Tun und ein nicht enden wollender Schaffensdrang ist zu beobachten.
Was ist es, das die Kinder so begeistert?
Ein großes Stück Holz liegt Anfang der sechsten Klasse vor den Kindern. Urwerkzeuge werden jetzt von ihnen verwendet: der Spaltkeil, die große Baumsäge, das Beil und der Hammer. Dabei erfahren sie praktisch die Struktur des Holzes – die Maserung. Sie wird manche noch lange beschäftigen und macht das Holz gegenüber Stein und Metall zum schwierigsten Material.
Die Aufgaben und die Werkzeuge sind vom Werklehrer so gewählt, dass die Kinder in Stufen lernen, damit umzugehen. In der sechsten Klasse werden Gebrauchsgegenstände hergestellt. Zum Beispiel der Kochlöffel. Er soll »brauchbar und schön« sein. Fein geformte, leichte und makellos geschliffene Kochlöffel verlassen die Werkstatt.
Die Freude und die Achtung, die diesen Haushaltsgeräten entgegengebracht werden, bestärken die Sinnhaftigkeit dieser Aufgabe.
In der achten Klasse wechseln wir von den kleinteiligen Bewegungen des Schnitzens zum großen schwungvollen Hobeln mit der Rauhbank. In der neunten Klasse erreichen die Jugendlichen eine Entwickelungsstufe, in der sie gerne ihren kraftvollen Willen einsetzen. Sie bekommen einen »fetten Happen« vorgelegt. Ein großes sägeraues Brett mit Waldkante. Daran schaffen sie jetzt Ordnung. Sie formen die erste Fläche, an der sich alles weitere orientiert. »Abrichten« wird das genannt.
Mit ungebremstem Willen wird hier nicht viel erreicht. Die Jugendlichen müssen lernen, wahrzunehmen und zu denken. Kleinere Verbindungen erfordern genaue Werkzeugführung, hohe Aufmerksamkeit und räumliches Vorstellungsvermögen. Daraus entsteht schließlich ein Bänkchen mit gezinkter Eckverbindung.
Schnitzend begeben sich die Schüler auf die Suche nach der eigenen plastischen Form in der zwölften Klasse. Jede einzelne Fläche an ihrem Ort lebendig bewegt zu formen, ist nun die Aufgabe und jeden Schnitt mit Bewusstsein für die Fläche zu führen. Die ganze Gestalt »rundum« zu erfassen und rhythmisch und aussagekräftig zu gestalten, ist eine große Herausforderung, die diesem Lebensalter angemessen ist.
Es wird deutlich, dass die Kinder und Jugendlichen vielfältige Erfahrungen mit Holz machen können – von einfachen bis zu anspruchsvollen Dingen, immer ihrem jeweiligen Entwicklungsstand angemessen.
Anders als in anderen Fächern »sehen« sie, was sie tun. Sie nehmen ihre Werkstücke mit nach Hause und haben die Möglichkeit, nach vielen Jahren auf ihre Arbeit zu schauen und die eigene Entwicklung wahrzunehmen.
Metall
Metalle finden sich im Menschen, in Tieren, Pflanzen, Farben, Erden und Gesteinen. Die ersten Metalle, die die Menschen bearbeiteten, waren Kupfer, Gold, Silber und Zinn. Erst später kam das Eisen hinzu. Mit den Kindern und Jugendlichen bearbeiten wir hauptsächlich Eisen und Kupfer.
In gespannter Erwartung betreten die Drittklässler die Schmiede. Es riecht scharf und streng und doch zieht es die Kinder in den Raum. Die große Esse mit der Haube in der Mitte, der hölzerne, lederne Blasebalg an der Decke und Reihen von Hämmern, Zangen und fremdartigen eisernen Werkzeugen an den Wänden. Da gibt es viel zu entdecken.
Jetzt, an der Feuerschüssel, hören sie das Schnaufen des Balges und im aufwirbelnden Staub sehen sie den Luftstrom.
»Was braucht der Schmied alles?« Die schwarze Kohle wird angefasst. Der Löschtrog gemustert. Aufgeschichtet in der Esse wird nun alles zusammengebracht. Es fehlt noch das Feuer.
Die »vier Elemente« in Aktion. Ich decke die brennenden Späne anfangs immer wieder mit Kohle zu. Schwerer Rauch wie Nebel quillt seitlich über die Esse heraus, man kann ihn mit den Händen schöpfen. Dann ziehe ich kräftig am Griff über mir. Ein scharfer Luftstrom facht das Feuer an und lässt Stichflammen aus der dunklen Kohle schießen.
Ein gemeinsamer tiefer Atemzug entfährt den Kindern, die um die große Esse stehen. Danach erleben sie den tätigen Schmied und seinen Helfer – das Feuer. Am nächsten Tag schmiedet jedes Kind seinen eigenen Nagel. Stolz wird er nach Hause getragen und als kostbares Gut aufbewahrt. Keine Handwerker-Epoche hinterlässt einen so starken Eindruck, wie der Besuch der dritten Klasse in der Schmiede.
In der Oberstufe können wir mit den Jugendlichen Kupfer bearbeiten. Die zwei Techniken bei der Verformung, das Strecken und Stauchen, das die Kinder schon bei der Eisenbearbeitung kennengelernt haben, werden nun bei der Kaltverformung wieder aufgegriffen. Die Zehntklässler stellen Kuchenformen oder Kochtöpfe her und müssen hierfür verschiedene Arbeitsvorgänge beherrschen: Ausschneiden – Aufziehen – Planieren – Relief ausformen.
Beim Aufziehen des Kupfers wird es laut und die ganze Gruppe wird von einem Rhythmus getragen. Die Koordination der beiden Hände ist für manche eine Herausforderung. Andere absolvieren das recht schnell. Planieren braucht andere Fähigkeiten. Jetzt wird es feiner, subtiler. Das Kupfer wird auf der Faust oder auf einem Lagereisen balanciert und dabei wird mit fein geführtem Planierhammer die Fläche gespannt. Das ist eine Herausforderung, weil man das Lagereisen nicht sieht. Mit gutem Streiflicht am Fenster und vor allem Wahrnehmungsvermögen und Geschick bildet der Schüler eine klare Form.
Das Relief ist wiederum etwas anderes. Das Kupfer ist nun wieder weichgeglüht. Es werden runde oder eckige Formen gebildet. Man greift ein, aber behutsam, dass man die Form nicht zerdrückt, sondern Innen- und Außenkräfte im Gleichgewicht bleiben und eine schöne Gestalt entsteht.
Stein
Das Gestein gibt uns einen festen Grund, auf dem wir leben, der feste Boden Lebenssicherheit und Verlässlichkeit. Dass die verschiedenen Gesteinsarten auch aus Lebensprozessen entstanden sind, wird nicht nur am Vulkanismus sichtbar. Viele Gesteine sind vor Urzeiten entstanden, wurden umgebildet und manche entstehen heute, wie man am Wasserkessel feststellen kann. Auch in uns bilden Knochen und Zähne eine mineralische Lebensgrundlage.
Früh schon haben die Menschen Stein gespalten, behauen und geschliffen. Sie haben nicht nur Werkzeuge, sondern auch Kultgegenstände daraus geformt.
Beim Betreten der lichtdurchfluteten Steinwerkstatt kann einem der feine Staub auffallen, der sich wie ein Schleier über alles legt, auch auf die Fensterscheiben. Angehauene Steine liegen auf schweren, soliden, metallenen Böcken. Schroff und spitz sind zunächst die Flächen. Andere sind schon glatt und fein poliert. Dabei entfaltet sich dann die leuchtend-vielfältige Farbigkeit der Gesteine, die man nicht immer darin vermutet.
Beim Berühren der Steine kann einem die Kälte auffallen. Eine kühlende Wirkung geht von ihnen aus, die man in südlichen Gegenden nutzt.
In der zehnten Klasse hat der Schüler in seiner Leibesentwicklung eine gewisse Festigkeit erreicht. Sein Denkvermögen ist zu Spitzenleistungen in der Lage.
Die Steinhau-Epoche an unserer Schule bietet dem Schüler die Möglichkeit, sich mit dem härtesten Stoff auseinanderzusetzen. Dabei kann man beobachten, dass der Stein mit Kraft allein nicht zu meistern ist. Vielmehr muss man sich auf ihn einlassen, beobachten, wie er am leichtesten zu hauen ist. Beim
Granit, dem härtesten, spricht man vom Lösen. Dann wird es spielerisch.
Dabei lernen die Schüler den sachgemäßen Einsatz von Setzeisen, Spitzeisen, Zahneisen und Schlageisen.
In der zwölften und dreizehnten Klasse sind sie in der Lage, eigene Gestaltungen umzusetzen. Vielfältiges, wie Sonnenuhren, Wasserbecken, freie Formen, Tierformen und menschliche Gestalten. Reliefs entstehen dank der unerschöpflichen Phantasie unserer Schüler.
Unterschiedliche Materialien – unterschiedliche Fähigkeiten
Durch die Arbeit mit Holz, Metall und Stein verbinden sich die Schüler mit der Welt und üben verschiedene Willens- und Seelenqualitäten. Jedes Material fordert einen je eigenen Zugang und eigene Fähigkeiten.
Das Sprichwort: »Man soll das Eisen schmieden, solange es heiß ist«, offenbart eine Wahrheit in Bezug auf den Umgang mit ihm. Bei der Eisenbearbeitung muss ich denken, bevor ich handele. Mut und Tatkraft sind notwendig, der Wille ist gefordert.
Beim Schreinern hingegen kann und muss ich beim Anreißen der Verbindung denken. Beim Schnitzen einer Skulptur darf ich vorher nicht zu viel gedacht haben und muss währenddessen die entstehende Fläche und Form empfinden.
Beim Geigenbauen ist behutsames, aufmerksames Handeln gefragt. Beim Kupfertreiben tauche ich in einen Rhythmus, die Koordination der Hände ist notwendig.
Die Schüler durch die verschiedenen Materialien zu begleiten, ist sehr spannend.
So hatte eine hervorragend geigenbauende Schülerin große Mühe beim Schmieden, während ein Schüler, dem das Schalenschnitzen schwerfiel, geschickt schmiedete.
Menschen verlassen die Schule, die nun die Welt nicht nur anschauen können. Sie können die Dinge, den Stoff ergreifen und ihn gestalten.
Wahre sinngebende handwerkliche und künstlerische Tätigkeit, nicht Basteln, gibt den Menschen tiefe Befriedigung, Vertrauen und ein gesundes Lebensgefühl. Darum wird das Handwerken und die Kunst auch therapeutisch angewandt.
Die verschiedenen künstlerisch-handwerklichen Tätigkeiten, aus denen sie Kraft und Leben schöpfen, begleiten viele Menschen bis ins hohe Alter.
Zum Autor: Stephan Elbracht ist Werklehrer an der Freien Waldorfschule Uhlandshöhe, Stuttgart.