Eltern

Ich hab´s selbst gemacht!

Benjamin Perry

Eine Tomate, ein Apfel oder eine Zucchini – also Gemüse und Obst, das jedes Kind aus dem Supermarkt, dem Bio-Laden oder vom Markt kennt – all das schmeckt um ein Vielfaches besser, wenn es aus dem eigenen Garten kommt. So nehmen wir es zumindest am Tisch zu Hause wahr. Ich habe mich dann gefragt, was ist es also, dass dieses Gemüse von anderem gutem, reifem und regionalem Gemüse unterscheidet? Meine These ist: Es ist nicht der Geschmack. Tomatensalat aus eigenen Tomaten! Grünkohl, selber geerntet, unzählige Male vor Schnecken beschützt, im Wohnzimmer vorgezogen, den ersten grünen Keim entdeckt, das alles steckt in diesem Gemüse. Essen ist eben nicht bloß Geschmack und Nahrungsaufnahme. Essen ist Emotion. Essen ist, das Vertrauen in die Welt zu entdecken. Essen gehört zum Prozess der emotionalen Entwicklung eines Menschen, ebenso wie das Erlernen von z. B. Konfliktbewältigung, von Gruppenverhalten oder der eigenen Reflexion. Und genau deshalb eignet sich das Themenfeld Ernährung und das Erleben von Gartenkreisläufen auch so unglaublich gut für die kulinarische Bildung von Kindern und Jugendlichen, gerade in Bildungseinrichtungen.

Lernprozesse als rein neurodidaktischen Raum zu sehen, ist sicher zu einseitig. Doch es gibt einen Punkt, in welchem sich die Wissenschaften relativ einig sind: Der Lernerfolg ist größer, wenn der Schüler oder die Schülerin Spaß haben. Schafft es die pädagogische Fachkraft, das Kind zu begeistern, dann stellen sich Erfolgserlebnisse ein. Und wie lässt sich Begeisterung wecken? Indem Gefühle angesprochen werden. Es geht um das Entdecken, das Abenteuer, die Lust an Neuem, darum, die eigenen Entscheidungen und deren Konsequenzen direkt zu erleben. Zugegeben, es gibt sie, die Mathematik und Diktate, den Lernstoff und die Hausaufgaben. Und ich maße mir nicht an, zu behaupten, die Lehrkräfte würden es lediglich nicht schaffen, hier genügend Begeisterung zu entfachen. Wobei sie es ja oftmals schaffen. Ich möchte vielmehr nur dafür plädieren, einen größeren Fokus auf eine bisher noch nicht ausreichend ausgeschöpfte Möglichkeit zu werfen, eben diese Begeisterung zu entfachen. Das Essen. Der Garten. Könnte ich, würde ich das Schulfach »Kulinarische Bildung« sofort auf den Stundenplan jeder Schule setzen. Es wäre verzahnt mit nahezu jedem anderen Fach, sogar mit Physik, Chemie und Mathematik, aber auch mit Religion, Sport oder Erdkunde, ein wahrer Tausendsassa! Gerade weil nicht jede Schule über einen eigenen Garten verfügt oder in der Schulküche überhaupt noch selber gekocht wird, sind die Umstände und Möglichkeiten jeder Einrichtung individuell ganz unterschiedlich. Genauso wie die Umstände und Möglichkeiten der Kinder und Jugendlichen, die sie besuchen! Und genau deshalb sollten wir sie auch individuell betrachten lernen, und uns öffnen für den einen oder anderen neuen Weg und neuen Gedanken.

Das machen die Kinder schließlich auch jeden Tag in der Schule. Und mich begeistert das.

Literatur: H. Renner, B. Perry, M. Plehn: Mittagessen pädagogisch gestalten, Freiburg 2019

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