Ich kann nicht mehr

Man muss die Hausaufgaben alleine erledigen, darf nicht in die Schule, die Hobbys hat man aufgegeben und den normalen Alltag, den es mal gab, existiert nicht mehr. Zumindest bei mir. Es ist jeden Tag eine Herausforderung, aufzustehen, sich anzuziehen und seinen Pflichten nachzugehen. Ich bin müde und es herrscht Stille und Einsamkeit in mir, auch wenn ich das nicht immer nach außen trage. Ich möchte glücklich sein, Spaß haben und mein Leben leben. Ich möchte mich mit meinen 17 Jahren mit Freunden treffen und mich entwickeln können. Ich möchte in die Schule gehen, lernen. Meine Einsamkeit in mir macht mir zu schaffen und ich habe Angst vor der Zukunft.

Ich weiß nicht, wie es weitergeht. Niemand weiß es. Es herrscht eine große Ungewissheit, überall. An schönen Tagen, wenn die Sonne scheint, habe ich bessere Gedanken, doch wenn es grau und dunkel ist, schaue ich aus dem Fenster und weiß nicht, was ich fühlen soll. Ich weine oft und viel in letzter Zeit, aber ich möchte es niemandem zeigen, niemandem sagen, da ich nicht möchte, dass Menschen in meiner Umgebung noch unglücklicher werden. Viele in meinem Umfeld haben mit einer Depression zu kämpfen und ich habe Angst, dass auch ich depressiv werde. Ich habe Angst, meinen Abschluss nicht zu schaffen und ich habe Angst, meine Jugend nicht ausleben zu können.

Meine Einsamkeit kann ich nur aus meinem Kopf vertreiben, wenn ich mich mit Freunden oder meiner Familie treffe. Doch auch dann geht es um Corona. Man kann dieses Thema nicht vermeiden. Es kommen große Streits auf, wenn man sich mit Fragen zu diesem Thema äußert. Man darf es nicht. Man darf nicht anders denken und man darf keine Fragen stellen.

Dann steigt diese Stille in mir und ich wünsche mich irgendwo hin, wo es friedlich ist, irgendwo hin, wo man alles vergessen und glücklich sein kann. Doch diesen Ort gibt es im Moment nicht. In der Schule, wenn man da sitzt, mit Maske, zittert mein Körper, sobald es um das Thema Corona geht.

Ich habe schlimme Erfahrung in der Schule mit dem Thema gemacht. Ich wurde von Mitschülern und Lehrern verurteilt und ausgestoßen. Eine Lehrerin sprach mit mir. Danach war ich seelisch kaputt, habe geweint und mich auf der Schul­toilette übergeben. Ich bin tagelang nicht zur Schule gegangen und das Schlimmste hörte ich aus dem Mund meiner besten Freundin, als sie sagte, ich würde selber Schuld daran sein, ich würde mich selber ins Mitleid ziehen und ich solle mich nicht so anstellen. Das hat etwas in mir zerstört. Ich konnte ihr verzeihen, doch ich bin traurig darüber, dass sie so denkt.

Alle streiten sich, diskutieren und am liebsten möchte ich meine Ohren schließen und von all dem nichts hören. Ich habe Tage, an denen ich nichts schaffe, nicht einmal rausgehen oder spazieren. Ich versuche, mich von alldem abzulenken. Manchmal gelingt es mir. Manchmal bin ich glücklich und lache. Dann denke ich nicht an das Thema und genieße die Zeit, in der ich glücklich bin. Ich bin dankbar für jeden in meiner Umgebung, der es schafft, mich auf andere Gedanken zu bringen, der es schafft, mich zum Lachen zu bringen.

Eigentlich bin ich ein sehr fröhlicher Mensch. Ich lache gerne und viel. Ich mache Scherze, tanze und erfreue mich an vielem. Doch das ist mittlerweile schwer. Mein Vater sagt, ich habe mein schönstes und glücklichstes Lächeln verloren. Es ist mir nie aufgefallen, bevor er es gesagt hat. Ich kann nicht mehr und ich möchte einfach nur, dass es aufhört. Bitte.

Die Autorin (Waldorfschülerin) möchte anonym bleiben. Name und Schule ist der Redaktion bekannt.


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