Seit 2008 sollten laut Europarecht Menschen mit Behinderungen nicht vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden. »Was muss sich in der Lehrerbildung ändern, damit inklusive Schule möglich wird?« lautete deshalb die Frage, mit der Dr. Götz Kaschubowski den Fachtag zum Thema Inklusion eröffnete.
Georg Feuser von der Universität Zürich vertrat die Auffassung: »Wir sollten in dem aktuellen Bildungssystem nicht viel korrigieren, wir müssen es neu aufbauen«. Er bezeichnete das aktuelle Unterrichtssystem als Haupthemmnis für die Umsetzung der Inklusion, da es hierarchisch, komplett durchorganisiert und segregierend sei, die Welt in Fächer zersplittere, auf einem defizitorientierten Verständnis von Behinderung und einem inadäquaten Menschenbild beruhe. Die Lehrerbildung müsse, so Feuser, die Trennung zwischen Sonder- und Regelschul-Lehrern in Zukunft aufheben und ein gemeinsames BA- und ein spezialisierendes MA-Studium einführen.
»Die Integrationsbewegung ist schon sehr alt, aber bundesweit besuchen nur vier Prozent behinderte Kinder eine Regelschule«, bemerkte Theo Klauß von der PH Heidelberg über die aktuelle Situation in Baden-Württemberg. Nach der Verabschiedung der Behindertenrechtskonvention seien vor allem Bewusstseinsbildung, Qualifizierung der Fachkräfte, Entwicklung von Unterstützungsmöglichkeiten und der Abbau von Kommunikationsbarrieren nötig. Klauß beschrieb das Bildungssystem als einen »Schubladenturm«, in dessen Fächer die Kinder hineingeschichtet würden; wenn eine Schublade nicht passe, suche man eben eine andere. Auch er betonte die Defizite gegenwärtiger Lehrerbildung.
Thomas Maschke, Lehrer an der Kaspar Hauser Schule in Überlingen, beleuchtete die Notwendigkeiten der schulischen Praxis und die zahlreichen Spannungsfelder des Lehrerberufs. »Jede Gruppe ist heterogen, Homogenität gibt es nicht bei Menschen«, meinte er.
Jutta Schöler von der technischen Universität Berlin beschrieb das italienische Bildungssystem, in dem Inklusion bereits erfolgreich umgesetzt wird. Schöler initiierte den Jakob-Muth-Preis der Bertelsmann-Stiftung und unterstützt Eltern mit behinderten Kindern. Beim Fachtag leitete sie zusammen mit Claudia Heinzmann, Mutter an der Integrativen Waldorfschule in Emmendingen (IWE), eine Arbeitsgruppe zu Fragen der Elternarbeit. Sonderschulen haben laut Schöler zwei Möglichkeiten: »Entweder sie entwickeln sich zu attraktiven Schulen für alle Kinder, oder sie werden geschlossen«.
Kollegiale Fort- und Weiterbildung für Lehrer und Lehrerinnen an inklusiven Schulen war Thema von Ulrike Barth von der Freien Waldorfschule Berlin-Kreuzberg. Barth erarbeitete mit ihrer Arbeitsgruppe Bausteine für eine Fortbildung in Sachen Inklusion für bereits tätige Lehrer und Studenten. Vertrauen in das Recht der Eltern auf freie Schulwahl und die feste Verankerung des Faches Kunst in der Bildung stellten hierbei die Hauptpunkte dar.
Weitere Informationen:
Valerie Andermann. Institut für Waldorfpädagogik, Inklusion und Interkulturalität Tel. 0621-3094815 | E-Mail: valerie.andermann@institut-waldorf.de | www.institut-waldorf.de