Inklusiv nach Juchowo

Ute Maria Beese, Adrian Staudacher, Britta Ulzhöfer

Die Emil Molt Akademie (EMA) und die Parzival-Schule Berlin führten gemeinsam ein Erasmus-Projekt in Polen durch. Das Projekt verband Berufsbildung (EMA) und Förderpädagogik (Parzival-Schule). Die Schüler sollten auf einem integrativ arbeitenden Biohof gemeinsam Erfahrungen sammeln und sich kennenlernen. Wirtschaftliches, soziales und ökologisches Handeln bedingen sich gegenseitig – daher die gemeinsame Unternehmung der Berufsbildungsgänge Sozial- und kaufmännische Assistenz der EMA und der Berufsvorbereitung der Klassenstufe 10 der Parzival-Schule. Der Tagesablauf in Juchowo, rund dreihundert Kilometer nordöstlich von Berlin, bestand darin, dass die Schüler in verschiedenen Bereichen der landwirtschaftlichen Produktion, in der Vermarktung, in der Behindertenhilfe und der Hauswirtschaft mitarbeiteten. Die Schüler waren in mehrere Arbeitsgruppen aufgeteilt: Hofladen, landwirtschaftlicher Betrieb, Hauswirtschaft, Gärtnerei und Werkstätten. Die Nachmittage waren für Workshops und fachpraktische Unterrichtseinheiten reserviert. In den abendlichen Besprechungen ging es vor allem darum, die Praxiserfahrungen mit den Vorstellungen einer zukünftigen beruflichen Tätigkeit zu verknüpfen.

Am Wochenende gab es ein Kulturprogramm und einen Ausflug nach Kołobrzeg (Kolberg) ans Meer. Der Hof stellte für die restliche Zeit gemütliche Spiel- und Freizeiträume und weitere Aktivitäten zur Verfügung.

Primäres Ziel der Fahrt war: Inklusion an einem Ort gemeinsam erleben. Dafür war der Hof mit seiner intakten Gemeinschaft ideal. Die Teilnehmer begegneten sich in den zwölf Tagen unvoreingenommen, was sich durch die gemeinsamen Arbeitseinsätze sowie durch das spielerische Erleben und Kennenlernen ganz von selbst ergab. Die Arbeit umfasste Aspekte der Haushaltsführung und der sozialen Arbeit (zum Beispiel musste auch das gemeinsame Essen geplant, produziert und abgerechnet werden). Neben den Arbeitseinsätzen in gemischten und rotierenden Gruppen fanden am Nachmittag gemischte und durch das Gastgeberland Polen und die Europaregion Pomerania inspirierte kulturelle Veranstaltungen, Workshops oder Unterrichte statt.

Alle Beteiligten haben in den zwölf Tagen sehr viel über gelebte und erlebte Inklusion gelernt. Auslandserfahrungen gelten als wertvoller Baustein im Lebenslauf und erhöhen die Chancen auf dem Arbeitsmarkt, Beschäftigung zu finden oder weitere Bildungswege einzuschlagen. Die Berufsaussichten in Europa können in diesem Bereich nachhaltig erhöht werden, wenn das Ausland als Arbeits- und Weiterbildungsort wahrgenommen wird.

Das Rudolf-Steiner-Bildungszentrum plant in naher Zukunft zusammen mit der Parzival-Schule und dem Biohof-Juchowo ein weiteres Projekt zum Thema Inklusion, das mehrere europäische Einrichtungen der Behindertenhilfe aus Frankreich und Italien miteinbeziehen soll. In Juchowo werden zur Zeit Werkstätten für Behinderte eröffnet, in welche das Wissen anderer Einrichtungen einfließen kann. Es geht um transnationalen Erfahrungsaustausch und Innovationsentwicklung im Bereich der Berufsbildung für Behinderte und für Menschen, die mit ihnen in solchen Werkstätten arbeiten. Dafür sollen Best-Practice-Beispiele entwickelt werden, die zu einer Verbesserung der Situation aller Beteiligten beitragen können.

Zu den Autoren: Dr. Ute Maria Beese ist Klassenlehrerin an der Parzival Schule Berlin und wie Britta Ulzhöfer Lehrerin für anthroposophischen Heilerziehungspflege an der EMA. Dr. Adrian Staudacher ist Wirtschafts- und Sozialkundelehrer an der EMA.