Liebe Leserin, lieber Leser,
Lotte, vier Jahre, wälzt sich auf dem Boden und kreischt. Markus, acht Jahre, hängt auf dem Sofa herum: »Mir ist so langweilig«. Die Zwillinge Eva und Julian, dreizehn Jahre, kommen nach Hause und müssen erstmal chatten: »Wie war’s in der Schule?«. »Na ja, wie immer«. Unsere Alternativangebote – »Komm, back mit mir Pfannkuchen«, »Hast du dein Fahrrad geflickt? Ich habe schon das Werkzeug parat«, »Wolltet ihr nicht erst euer tolles Referat vorbereiten?« – ziehen nicht. Schon gar nicht der gemeinsame Wandersonntag mit frühem Aufstehen.
Was fehlt? – (Noch) mehr Zuwendung und Aufmerksamkeit? Bessere Angebote? ...
Wir halten durch und nach einer halben Stunde ist der Spuk vorbei: Lotte ist in der Puppenstube in ihr Spiel vertieft, Markus bastelt seinen Holz-Roboter zusammen, Eva besorgt sich in der Bücherei CDs mit afrikanischer Musik und Julian schmöckert in einem Bildband über Namibia. Äußeres Geschehen und innere Aktivität sind wieder in Harmonie.
Sicher, Langeweile muss auch gelernt sein. Nur beschleicht mich manchmal das Gefühl, den Kindern fehlt etwas, wozu sie keiner zwingen kann: die Bereitschaft, sich auf etwas einzulassen. Nicht die Erlebnisse von außen serviert zu bekommen, sondern selbst in eine innere Offenheit zu kommen, ist bei der heutigen hektischen und zielorientierten Lebensweise kein Leichtes – erst recht nicht für Eltern. Die verführerischen Angebote, sich davon abzulenken und zu zerstreuen, sind allgegenwärtig und gaukeln buntes Erleben vor, und man bleibt innerlich doch eigenartig leer und hohl.
Das Kleinste, das Alltäglichste kann zum erfüllenden Erlebnis werden, vorausgesetzt wir nehmen es überhaupt wahr. Und das Größte zum flachen Event, der uns innerlich völlig kalt lässt. Ich vermute, wir laufen an vielen Erlebensmöglichkeiten blind vorbei und verpassen dadurch Entscheidendes.
Erlebnisfähigkeit setzt Empfindungsfähigkeit voraus. Da gilt es, manche Hindernisse in Form von Stress, Routine, Abgestumpftheit oder seelischen Verhärtungen wegzuräumen, um in der eigenen wahrnehmenden Gegenwart anzukommen – ein Ideal jeglichen Erziehens und Unterrichtens. Versäumtes kann aber nachgeholt werden: Erlebnispädagogische Unternehmungen bilden die Türöffner.
Aus der Redaktion grüßt
Mathias Maurer