Ein Plädoyer für die Menschlichkeit

Siegmund Wälsung

Gegen alle Anfeindungen, besonders ihres einsilbigen Mannes, des wohlhabenden, angesehenen Bauern, nimmt seine zutiefst menschliche Frau das unheilbringende Trollkind bei sich auf und pflegt es, als sei es ihr eigenes. Dabei scheint sie instinktiv zu ahnen, dass ihre Handlungen eine unmittelbare Rückwirkung darauf besitzen, wie die Trollin ihr schönes und in allem so ganz anderes Menschenkind behandelt, das den Unfall überstanden hat und nun im Wald leben muss. Ein Feuer auf dem Bauernhof setzt den dramatischen Höhepunkt, bringt den verlorenen Sohn zurück, und gleichzeitig die Auflösung dieser Geschichte. Das ist in wenigen Sätzen, ohne gleich alles zu verraten, die Inhaltsangabe einer um die Jahrhundertwende entstandenen, gleichnishaften Erzählung der schwedischen Literaturnobelpreisträgerin Selma Lagerlöf.

Der Autorin und einer sprachlich urwüchsigen, lebendigen deutschen Übertragung verdanken wir es, dass diese Geschichte, die auf alte Überlieferungen zurückgeht, nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat: der schwierigen Überwindung von Gewalt, Missgunst und Vorurteil durch uneigennützige Liebe, ebenso wie dem mühsam erkämpften Schutz der Schwachen und Hilflosen in einer unbarmherzigen Umgebung. Selma Lagerlöf hat sich als eine Autorin von Weltgeltung bis zu ihrem Tod 1940 immer auf die Seite der Schutzbedürftigen gestellt. Ihr Gut in Maerbacka verwaltete diese Humanistin so, dass auch dann neue Arbeiter eingestellt wurden, wenn andere diese aus Wirtschafts- oder Kostengründen entließen.

Heide Mende-Kurz hat sich von einer Norwegenreise inspirieren lassen, der Erzählung »Das Trollkind« farbige Holzschnitte an die Seite zu stellen, die in ihrer Unmittelbarkeit den Eindruck des Geschriebenen lebendig hervortreten lassen.

Die hochwertig gearbeitete Buchausgabe ist die erste Einzelveröffentlichung der Erzählung und eignet sich hervorragend für Jung und Alt zum Vorlesen.

Selma Lagerlöf: Das Trollkind (Der Wechselbalg), geb., 40 S., EUR 19,90, Opilio Verlag, Stuttgart 2016