Zauberhaftes Buch

Angelika Zöllner

Triglav, übersetzt Dreikopf, heißt der höchste Gipfel Sloweniens. Er befindet sich im einzigen Nationalpark des Landes. Der Triglav ist Nationalsymbol, Teil des Wappens, auf der 50 Cent-Euromünze, sogar auf einer Biersorte abgebildet. Um ihn ranken sich viele Sagen. Aufmerksamkeit in der jüngeren Zeit erhielt ein Versepos von Rudolf Baumgarten (1877). Camilla Lucerna bearbeitete das Epos zu einem Singspiel, zu dem ihr Bruder Eduard die Musik komponierte.

Triglav-Märchen des 1984 verstorbenen Mirko Kunčič kann man vor Ort in Märchenland-Wanderungen erleben. Wiebecke orientierte sich bei seinem Versepos an den ›Alpensagen‹ von Max Stebich, die er als Kind seelentief aufgenommen hatte. Später vermutete er, die Sage könne ähnlich weit zurückführen wie das ›Traumlied‹ des Olaf Åsteson.

»Wer kennt den mächtigen Triglav, den Gott, den die Slawen erschauten«, dichtet Wiebecke. Hoch an seinen Häuptern liegt ein Zaubergarten. Er gehört den Feen, den Rojenice. Sie sind »gewaltig in ihrer Liebe, gewaltig in ihrem Zorn«. Dort weidet Zlatorog, der weiße Bock mit den goldenen Hörnern, begleitet von 12 weißen Gemsen. Nicht jeder kann ihn sehen. »Zlatorog …,  der Hüter der reichen Schätze … Wer ihn erlegen kann, wird die Schätze schauen.« Aber wer ihn erjagen will, kann von Steinen in den Abgrund gestürzt werden. Geblendet vom Glanz der goldenen Hörner.

Aber: «Das Blut des Bocks treibt Rosen«. Wer ihn erlegen kann, darf Wunderrosen pflücken.

Das tat einmal ein Jäger aus Trento: «Er wusste nichts von Liebe, er wusste nichts von Hass, sein Leben war die Jagd.« Die Feen, die Rojenice, hatten bei seiner Geburt Pate gestanden.  Die hellsichtige, alte Barba hatte es gesehen. Deshalb sollte der Jäger Glück haben, »solange seine Seele  von Schuld sich frei erhielt«.

Der Jäger verliebt sich in Spela. Er überreicht ihr einen Strauß Rosen, aus dem Blut des von ihm erlegten Triglav. Spela verliebt sich in ihn. Der Jäger aber vergisst sie, als er im Haus der Katra sich in die anmutige Jerica verliebt. »Mancher der Männer ersehnte, in ihr sein Weib zu erkennen.«

Spela wird eifersüchtig. In einer Felsenhöhle schlägt sie an das Gestein und spricht schreiend: «Böses will Böses.« Da erscheinen Geister in Gestalt von mächtigen Schmieden mit glühenden Augen. Sie raten ihr, Jerica mit irdischem Gold zu verlocken. »Gold, das schuldig macht«. – Jerica vernachlässigt des Jägers «Rosen, die keinen Winter kennen«, behält das Gold lockender Kavaliere: «Ich sehe es so selten.« Dem wiederkehrenden Jäger wirft sie schließlich vor: »Nie bringst du mir Gold …, wo sind seine (Zlatorogs) goldene Hörner?«

Die Seele des Jägers wandelt sich. »Nun wusste er von Liebe, nun wusste er von Hass.« Er bricht auf zum Berg, erlegt den Bock noch einmal, aber er zielt nach dem Gold, den Hörnern. Da stürzt er, wie seine Vorgänger, herab in den Abgrund: »Donnernd erbebten die Berge

Spela stürzt sich in die Fluten, die den Geliebten heranspülen, möchte ihm nah sein. Die hellsichtige Barba aber sagt: «Ich schaue in wirkender Wahrheit 700 Winter im Schnee die Felsen versenken.« Dann keimt eine Tanne dort oben. Eine Wiege wird aus ihrem Stamm gebildet. Darin liegt ein »Knabe, licht wie die Sonne.« Dieser steigt wieder auf den Triglav – beginnt alles von vorn, mit neuen Möglichkeiten?

Wolfgang Wiebecke: Das Triglav-Lied – epische Gestaltung der slowenischen Sage vom Zlatorog. Verlag Chr. Möllmann, Borchen 2019, 28 Euro.