Was heißt eigentlich Pubertät? Im Gespräch mit dem Ärzteehepaar Bart Maris und Nicola Fels.

Bart Maris, Nicola Fels

Erziehungskunst: Es heißt, Pubertät ist, wenn die Eltern schwierig werden. Stimmt das?

Fels/Maris: Pubertät bedeutet, dass die Seele reifer wird. Aber trotzdem ist das Erwachsenenalter noch nicht erreicht. Wenn wir im Rahmen des Sexualkundeunterrichts in der 7. oder 8. Klasse die Schüler fragen, was für sie Erwachsen-Werden bedeutet, antworten sie oft, dass das etwas mit Verantwortung zu tun hat, dass man als Erwachsener selber die Verantwortung für sein Leben und das was man tut, tragen muss. Und gefragt, warum sie dennoch Eltern brauchen (abgesehen von Taschengeld, Kochen und Waschen), entgegnen sie spontan, dass ihnen manchmal doch noch Grenzen gesetzt werden müssen.

Seelisch reifer werden, aber noch keine lenkende oder begrenzende Ich-Kraft haben, ist ein spannender und bewegender Lebensabschnitt. Er kann aber für den Pubertierenden und auch für die Umgebung schwierig sein, oder beide können für einander »schwierig« sein. Andererseits bietet die Pubertät die einmalige Chance, die Eltern-Kind-Beziehung so zu verändern, dass daraus eine lang tragende Beziehung wachsen kann.

Jugendliche brauchen eine erhöhte Ich-Präsenz der Erwachsenen im Sinne von Interesse und Teilnahme, von wachem Blick.

EZ: Was tun, wenn die Jugendlichen nicht mehr gehorchen?

F/M: Es gehört zu den Veränderungen, die in diesem Alter vollzogen werden, dass nicht mehr immer gehorcht zu werden braucht. Es ist das Alter, in dem eigene Erfahrungen gemacht werden müssen. Viel hängt auch davon ab, ob eine gesunde Beziehung vorhanden ist. In manchen Fällen kann es aber absolute Elternpflicht sein, die Jugendlichen vor Schritten zu schützen, die sie nicht selber einschätzen und verantworten können. Gegebenenfalls kann es hilfreich sein, dabei Dritte, wie z.B. Paten, Lehrer oder Freunde einzubeziehen.

EZ: Viele Jugendliche gefährden ihre Gesundheit durch Sucht. Was kann man dagegen tun?

F/M: Um den Risiken der Drogen- und Medienwelt zu begegnen ist es hilfreich, wenn das Kind zwischen sieben und vierzehn Jahren Hobbys entwickelt und sich gerne mit Musik, Sport oder anderem, am besten in einem sozialen Zusammenhang, beschäftigt. Danach ist großer Wert darauf zu legen, dass Interesse für die Welt, für das Schicksal der Erde und der Menschheit, im Großen und im Kleinen, geweckt und gefördert wird. Das ist eine wichtige pädagogische Herausforderung für Eltern und Lehrer. Dieses aktive Interesse schützt vor exzessivem Drogenmissbrauch.

EZ: Wie soll man mit der erwachenden Sexualität umgehen?

F/M: Da heute die Geschlechtsreife recht früh, die seelisch-geistige Reife eher später eintritt, ist es eine Gradwanderung, sowohl für die Jugendlichen als auch die Eltern. Einerseits müssen sie eigene Erfahrungen machen und lernen, Verantwortung zu übernehmen – nicht nur für sich, sondern auch für andere –, und andererseits besteht die Notwendigkeit, dass die Eltern ihre Sprösslinge sorgfältig im Auge behalten. Die Heranwachsenden müssen wissen, was die Konsequenzen ihrer Unternehmungen sind oder sein können, und dass sie ihre Verantwortung nicht einfach an die Pille oder eine Impfung abgeben können.

EZ: Was sind die wichtigsten »Tugenden« von Eltern, die pubertierende Kinder haben?

F/M: Präsenz, Humor und Gelassenheit.