Der Islam. Eine reale Gefahr?

Frieda Ziegler

Nur wenige Menschen setzen sich ernsthaft mit dem Thema auseinander. Wir lesen die Überschriften der Zeitungen und die mehr oder weniger guten Artikel. Was aber viel mehr Menschen erreicht als auf Fakten beruhende Berichte, sind die Hetzkampagnen einiger Zeitungen. Gibt man die Worte »Islam« und »BILD« in eine Suchmaschine ein, wird man von Treffern geradezu überschwemmt: »Irrer Islamist kriegt Harz IV«, »Hier wird der Berlin-Bomber abgeführt« und »Vom Playboy zum Islam«. Gläubige Muslime werden vom Großteil der Medien als Massenmörder und tickende Zeitbomben dargestellt. Die Angst wächst, Aggressionen werden geschürt – auf beiden Seiten. Fenster werden eingeworfen, immer abscheulichere Drohungen ausgesprochen, es kommt zu Krawallen, zu Demonstrationen (Pegida), einem Medienkrieg. Sind wir und unsere westliche Kultur wirklich durch den Islam gefährdet? Wieso sollen Andersgläubige gefährlicher sein als radikale Christen, die gegen Dämonen und von ihnen besessene Menschen wettern, bei denen Krebs, Faulheit, Lust und Homosexualität als Symptome der Besessenheit gelten?

Es wird über Ehrenmorde berichtet, über Verbrechen und Zwangsheirat, aber kaum über den Hintergrund der Gläubigen. Bin ich, weil ich in den Gottesdienst gehe und an Gott glaube, ein Kämpfer gegen andere Konfessionen? Verurteile ich einen Bekannten, weil er schwul ist? Nein! Genauso gibt es gläubige Muslime, die nichts von den Ideen der Radikalen halten, aber in ihrer Mehrheit keine öffentliche Stimme haben.

Die Grundlagen des Islam

Der Islam basiert auf den sogenannten fünf Säulen, die das Fundament eines gläubigen Lebens bilden. Diese sind: das Glaubensbekenntnis, das Gebet, Zakat geben, also die Unterstützung der Bedürftigen, das Fasten im Monat Ramadan und einmal im Leben die Pilgerfahrt nach Mekka, für diejenigen, die es sich leisten können. Das Gebet findet fünfmal am Tag statt. Es richtet sich nach festen Abläufen. Das Gebet ist die direkte Verbindung des Gläubigen zu Gott.

Jesus hat es nach Ansicht der Muslime zwar gegeben, doch war auch er nur ein Gesandter Gottes, denn im Islam hat Gott keinen Sohn. Gottes Einzigartigkeit und Unantastbarkeit bedeutet sehr viel. Zudem starb Jesus nicht am Kreuz. Er wurde gerettet und an die Seite seines Schöpfers gehoben, an seiner Stelle starb ein Mann, der von Gott Jesu Aussehen verliehen bekam. Gott schickte acht Gesandte zur Erde, unter ihnen Adam, Moses und Jesus, die durch und durch menschlich waren und über keinerlei göttliche Fähigkeiten verfügten.

Nach ihnen kam Mohammed als letzter Prophet zu den Menschen und verkündete Gottes Wort und Wille. Ihm offenbarte Gott schließlich den Quran. Mohammed gründete den Islam und brachte ihn den Menschen nahe. Er lebte ihnen seinen Glauben vor und war Vermittler zwischen Gott und den Menschen. Seine Anhänger und er wurden zunächst grausam verfolgt und mussten fliehen, noch vor seinem Tod war jedoch beinahe die gesamte arabische Halbinsel muslimisch geworden. Nur ein Jahrhundert später hatte sich diese Religion mit Feuer und Schwert bis nach Spanien und China verbreitet.

Der Islam steht für Gerechtigkeit, Frieden, Gnade und Vergebung und kämpft für Menschenrechte und gegen Rassismus. Es wird großer Wert auf intakte Familien und Ehen gelegt. Die Frau hat das Recht, ihren Bräutigam selbst zu wählen. Sie darf an ihn den Anspruch einer Brautgabe stellen, deren Wert und Höhe sie selbst bestimmt. Sie wird nicht ihrem Vater, sondern ihr selbst ausgezahlt und sie darf darüber frei verfügen. Zudem hat sie das Recht, ihren Mädchennamen zu behalten.

Rechte und Pflichten sind zwischen den Eheleuten aufgeteilt. Der Mann fällt die Entscheidungen, auch die, die beide Ehepartner und eventuell auch die Familie betreffen.

Die Pflicht der Frau ist es, ihren Mann zu unterstützen, wodurch sie ihm letzten Endes doch unterstellt ist. Eine Scheidung ist »das Schlimmste« und die Angehörigen versuchen sie in der Regel durch eine Versöhnung der Ehepartner zu verhindern. Eine solche Trennung ist nur annehmbar, wenn es keinen anderen Ausweg mehr gibt. Ehen mit Menschen anderer Religionsangehörigkeit sind verboten. Das ist der Mord an der Schwester und deren Geliebten aber ebenso, und er wiegt schwerer, auch wenn die Ehre den Muslimen viel bedeutet. Muslime dürfen nach dem Koran weder lügen, stehlen noch Böses über ihre Mitmenschen reden, oder gar ihnen etwas antun. Sie sollen barmherzig sein, Geld nicht für Zinsen verleihen und um dieses auch nicht spielen und müssen etwa 2,5 Prozent ihres Vermögens regelmäßig an Andere abgeben.

Die Muslime glauben wie die Christen an den Tag des Gerichts und die Auferstehung der Toten. Die göttliche Vorsehung weist den Menschen den rechten Weg dorthin, schließt den eigenen Willen des Individuums jedoch nicht aus. Jeder muss sich selbst für seinen Weg entscheiden. Das bedeutet, dass unser Leben nur eine Art Prüfung für unser Dasein nach dem Tod ist. Am Ende müssen wir uns für unsere Taten verantworten und werden je nach dem belohnt oder bestraft.

Mord zählte Mohammed als die zweite der großen Sünden. Die ersten Fälle, die am Tag des Gerichts behandelt würden, seien die Bluttaten, sagte er. Er verurteilte die Folter und verbot seinen Soldaten, Frauen und Kinder zu töten.

Nach dem Koran sind selbst Taten gegen Tiere verachtenswert und wiegen ebenso schwer wie Taten gegen Menschen. So kann ein gequältes Tier einen sonst frommen Menschen ins Verderben stürzen, während ein errettetes schlechte Taten auslöscht.

Muslime sollen selbst ihren Feinden vergeben, niemandem den Tod wünschen und weder Besitz noch Leben zerstören. Das Gut anderer Religionen und Kulturen ist zu achten wie das eigene. Und das, obwohl Angehörige anderer Religionen fehlgeleitete Menschen sind und am Tag des Gerichts in der Verdammnis enden. Um zum Islam überzutreten, ist es nicht wichtig, wer man vorher war oder welcher Religion man angehörte. Moslem werden kann jeder.

Die Radikalen

Sprengstoffgürtel und in Hochhäuser stürzende Flugzeuge passen nicht ins Bild. Es sind die Radikalen, die Probleme machen, Extremisten, wie es sie in jeder Gemeinschaft, Kultur oder Religion gibt. Sie beziehen sich zwar auch auf den Koran, legen ihn aber anders aus. Die »Scharia«, das islamische Recht, ist ein Schlagwort, das vielen Menschen im Westen Angst macht. In einem Staat, wo die Scharia herrscht, sind die religiöse Riten, die Verhaltensgebote und die Strafen vorgegeben. Das Schwierige an der Scharia ist aber, dass sie nie klar festgehalten oder niedergeschrieben ist, sondern immer wieder neu und an unterschiedlichen Orten unterschiedlich interpretiert wird. Dadurch entstehen je nach Auslegung völlig unterschiedliche Urteile, die sich alle auf die Scharia berufen können. So richtet ein Ajatollah im Osten, der seine Abneigung gegen den Westen zum Ausdruck bringen möchte, anders, als ein liberaler Muslim in Europa, der weltoffen und friedlich leben möchte. Das sieht man daran, dass es Gemeinschaften in völlig unterschiedlichen Größenordnungen gibt, in denen Frauen die Rechte haben, die ihnen nach dem Koran zustehen, in denen sie sich nicht verhüllen müssen, sondern westlich kleiden dürfen, während sie in anderen Ländern für ein solches »Vergehen« zum Tode verurteilt werden. In Namibia wurde zum Beispiel eine vergewaltigte Frau ihrer Schande wegen zum Tode durch Steinigung verurteilt.

Woher der Hass?

Woher kommt es, dass einzelne Menschen – seien es Muslime, Islamgegner oder Pegida-Anhänger – sich das Recht nehmen, über andere zu urteilen und zu richten, einen Menschen zu verletzen oder gar zu töten? Wir alle wurden einmal gejagt und gehasst, ob wir nun Christen oder Muslime oder Juden, ob wir Türken, Araber oder Amerikaner sind. Kriege werden geführt, Hass entfacht, und am Ende gibt es immer Verlust und Zerstörung, zurück bleibt Misstrauen und Angst.

Menschen fordern, dass der Islam aus Europa verschwindet. Menschen fordern andere Menschen auf, die sich hier eine Existenz aufgebaut haben und deren Familien schon seit Generationen in unserem Land leben, zu verschwinden.

Es gibt eine reale Gefahr, auch hier in Deutschland. Allerdings geht sie nicht vom Islam an sich aus, sondern von den Extremisten, die mit allen Mitteln ihre Ideen durchsetzen und verbreiten wollen. Eine ähnliche Gefahr droht jedoch auch von der anderen Seite: Ihre Gegner werden sich ebenfalls radikalisieren. Es droht, dass die Situation eskaliert.

Es geht nicht darum, wer recht hat und wer unrecht, nicht darum, wer bleiben darf und wer gehen muss, sondern darum, dass wir aufeinander zugehen, uns die Hände reichen und zusammen leben, wie schon einmal vor langer Zeit.

Frieda Ziegler ist Schülerin der Freien Waldorfschule Rastatt und hat diesen Text in der 9. Klasse geschrieben

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