Hacking your Education

Anna-Sophia Joens

Wie sollen wir individuelle Verantwortung für die Welt übernehmen, wenn das einzig Wichtige am Ende von Schule oder Uni die Abschlussnote ist und nicht die ausgebildete Persönlichkeit?

Die Aufgabe von Bildung ist, uns zu selbstständig denkenden und handelnden Menschen zu machen. Damit wir überhaupt die Chance haben, uns Fähigkeiten anzueignen, die uns nicht nur in vorgegebenen Räumen weiterhelfen. Außerhalb der bequemen Strukturen werden Qualitäten wie Selbstvertrauen und Bewusstsein gefordert. Die Grundlage eines zeitgemäßen Bildungsgedankens muss der eigene Impuls werden. Durch ihn entsteht die Motivation, selbst nach Entwicklungsmöglichkeiten zu suchen, sich Wissen anzueignen und Fähigkeiten zu verbessern.

Das fördert unsere Kreativität, innovative Lösungsansätze zu erarbeiten. Vielleicht haben wir keinen Schulabschluss oder kein fertiges Studium. Na und? Wir müssen neue Wege finden, das alte System, die Bewertung von Bildung hinter uns lassen. Niemand hat das Recht zu entscheiden, welches die richtige Bildung ist und welches nicht. Ein Mathegenie beispielsweise, das sich keine Vokabeln merken kann, darf nicht studieren, weil es sein Abitur wahrscheinlich nicht schaffen wird. Dabei wäre es später vielleicht ein brillanter Physiker, der nur kein Englisch kann. Er kann nicht studieren, weil er nicht ins Bild passt. Seine Individualität macht Angst. Sie erfordert ein hohes Maß an Beweglichkeit und innerer Freiheit, Werte, die uns an den meisten Schulen nicht vermittelt werden.

Studieren heißt, den eigenen Impuls finden

Es sollte jedem Menschen, unabhängig vom Schulabschluss, durch eine individuelle Aufnahmeprüfung möglich sein zu studieren. Nur so wäre ein freier und bedingungsloser Zugang zur Bildung gewährleistet und damit die Möglichkeit, unseren inneren Impuls zu entdecken und auszubilden.

Wir sollten lernen dürfen, uns der Verantwortung unserem Umfeld und uns selbst gegenüber wirklich bewusst zu werden. Das eigene Handeln reflexiv durch den Anderen zu erleben und ihn wirklich zu sehen mit der Frage: »Wer ist der Andere?«. Denn der Mensch hat eine Fülle von Begabungen, aber eben in einzigartiger Verquickung. Wir sollten jedem helfen, seine Begabungen als Instrument für innovative Gedanken und fruchtbare Taten zu entdecken, welchen Weg auch immer diese Ausgestaltung braucht. Letztlich müssen wir zu einer toleranteren Menschlichkeit finden. Denn Individualität heißt Differenziertheit. Differenziertheit, die wir brauchen, um Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln. Denn wenn wir unserem eigenen Impuls folgen, dann schafft unser Tun Sinn. So müssen wir den Bildungsbegriff als ganzheitlichen Entwicklungsprozess sehen, aus der einförmigen Masse heraustreten und zu einem Kollektiv von Individuen werden.

Zur Autorin: Anna-Sophia Joens absolviert ab September einen einjährigen Freiwilligendienst in Australien