Zehn Jahre Waldorf-Philharmonie – und jetzt?

Barbara Deckers, Jascha Geber

Die Teilnehmer der ersten Projekte stecken inzwischen im Studium oder gar im Job. Viele von ihnen haben eine musikalisch-künstlerische Richtung eingeschlagen, andere sind in völlig anderen Bereichen tätig und haben ihr Instrument und das Orchesterspielen nur als Hobby beibehalten.

Den zehnten Geburtstag, von dem wir lange gar nicht glauben konnten, dass wir ihn erleben würden, haben wir gebührend gefeiert. Zum ersten Mal ist die Junge Waldorf-Philharmonie auf Tournee gegangen und hat dabei in Berlin, Hamburg und Kassel konzertiert. Die Stimmung war euphorisch, die Werke waren gigantisch und das Niveau so überzeugend, dass es die Zuhörer bei den Konzerten zum Applaus nicht länger auf den Sitzplätzen gehalten hat. Nach einer schwungvoll wuchtigen Ouvertüre von Richard Wagner zu Beginn verzauberte Angelika Strub, die jüngste Tochter unseres treuen Dirigenten Patrick Strub, mit dem Violinkonzert von Max Bruch den Saal. Die fünfte Sinfonie des russischen Komponisten Schostakowitsch, die die Geschichte eines von Stalin gequälten Volkes erzählt, übertraf alle Erwartungen, und es gelang Patrick Strub mit den jungen Musikern in den Konzertbesuchern Bilder und Emotionen hervorzurufen, die über den letzten Paukenschlag hinaus anhielten – ein Erlebnis, das Musikern und Publikum sicher noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Hundert Musiker und ein starkes Orga-Team

Bevor wir uns aber auf die große Reise gemacht hatten, verlief die Probentagung wie in den zehn Jahren davor: Einhundert junge Musiker und ein zehn bis fünfzehn Mann starkes »Orga-Team« fanden sich an der Waldorfschule Gutenhalde in Filderstadt ein, breiteten Schlafsäcke und Isomatten in den Klassenräumen aus und begannen intensiv zu proben. In den ersten Tagen halfen unsere Dozenten mit den Stimmproben, die jeweilige Instrumentengruppe zusammenzubringen und dann folgten die ersten Tuttiproben im Saal der Waldorfschule. Für die Abende gestaltete das Team ein buntes und allseits beliebtes Abendprogramm. Es wurde getanzt, gespielt, gesportelt und die erste Tagung im Sommer ermöglichte sogar ein gemütliches Zusammensitzen am Lagerfeuer. Sobald die Busse für die Tournee da waren, wurden diese in Waldi-Manier kreativ in Junge-Waldorf-Philharmonie-Busse mit Logo und Schriftzug umgewandelt. An den verschiedenen Konzertorten übernachteten wir in Hostels oder Jugendhäusern und nahmen uns ein bisschen Zeit, um die Städte kennenzulernen. Berlin erkundeten wir mit Stadtführungen auf dem Rad oder zu Fuß, während wir Hamburg mit einem Schiff von der Elbe aus bestaunen konnten. Manche Teilnehmer nutzten die Gelegenheit, das berühmte Miniatureisenbahnwunderland zu besuchen. In Kassel lockten ein Erlebnisbad und der Herkules neben gleich zwei Konzerten vor Schülern und abends dann vor gemischtem Publikum. Als wir einen Tag vor dem Abschlusskonzert in Stuttgart ankamen, packten einige Teilnehmer die Instrumente aus, um auf dem Stuttgarter Weinfest durch Straßenmusik noch ein paar neue Zuhörer in die Liederhalle zu locken. Ein Konzert in unserem »Stamm-Konzerthaus«, der Stuttgarter Liederhalle, bildete den krönenden Abschluss der Jubiläumstournee.

Programm und Pläne 2014/ 2015

Ist das überhaupt noch zu toppen? War das der letzte große Streich oder der Aufschwung für viele weitere Jahre und tolle Konzerte? Diesen Fragen stellte sich das neue Organisationsteam und entschied: Was in zehn Jahren ist, kann keiner wissen, aber wir wollen, dass es ein elftes Jahr gibt. Der Dirigent ist wieder dabei, die Gutenhalde nimmt uns für die Tagung auf und unser Starkoch Matthias Bauersachs hat auch wieder Lust, uns mit seinen kulinarischen Wunderwerken zu verwöhnen. Der Student Chris Soeder ist bereit, uns mit seinen Fähigkeiten als Graphiker weiterhin bei der Gestaltung der Plakate, Flyer und Programmhefte zu unterstützen und allen voran wollen unsere Teilnehmer wieder kommen und noch einmal Teil eines ganz besonderen Projekts sein.

Wir werden im Herbst 2014 mit Werken von Tschaikowsky, Arutjunjan und dem lang ersehnten Stück »Bilder einer Ausstellung« in der Orchesterfassung von Maurice Ravel zuerst in Freiburg und dann wieder in Stuttgart auftreten. Auch für das Jahr 2015 werden schon fleißig Pläne geschmiedet. Wir werden mit dem Chorprojekt »Cantare« zusammenarbeiten und auf Tournee gehen. Dabei wollen wir zum ersten Mal die Grenzen Deutschlands überschreiten und unter anderem in Wien auftreten. Wir haben also noch lange nicht ausgeträumt.

Zu den Autorinnen: Jascha Geber studiert Musik am Konservatorium Wien, Barbara Deckers Allgemeine Sprachwissenschaften in Tübingen.

Konzerte: 1. November 2014, 19:00, Freie Waldorfschule St. Georgen, Freiburg; 2. November 2014, 17:00, Hegelsaal der Liederhalle Stuttgart

Link: www.orchester.waldorfschueler.de