Im Hässlichen lernt es sich schlecht. Ein Blick in die internationale Schulbauforschung

Christian Rittelmeyer

Wie Schulbauten auf das leibliche und seelisch-geistige Befinden wirken

Ein Forschungsüberblick des Design-Council London zeigt, dass die Farbgebung und Belichtungsqualität in Schulen, die Luft- und Schallqualität, die Möblierung und das Nahrungsangebot signifikante Auswirkungen auf Stimmungen, Lernleistungen und Wohlbefinden der Schüler haben. Eine vom australischen Erziehungsministerium herausgegebene Forschungsübersicht (»School Issues Digest«) kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Auch eine im »School Design and Planning Laboratory« der amerikanischen Universität Georgia durchgeführte Forschungsarbeit macht solche Auswirkungen deutlich. Untersuchungen unter anderem in Deutschland, in Südafrika und in den USA haben gezeigt, dass Schüler weniger zum Zerstören des Schulinventars neigen, wenn sie ihre Umgebung positiv wahrnehmen. Ruth Klockhaus und Brigitte Habermann-Morbey konnten in einer Untersuchung zeigen, dass der Vandalismus zunimmt, wenn die Schüler das Gebäude als heruntergekommen, eintönig und seine Farbgebung als hässlich empfinden. (vgl. Abbildung 1 und 2 als positives/negatives Beispiel). Das – sicher auch durch die Farbgebung beeinflusste – Erleben von »Wärme« in der Schule senkte einer in Deutschland durchgeführten Untersuchung zufolge die Delinquenzneigung von Schülern deutlich.

Einige Studien zeigen auch die negativen Auswirkungen einer schlechten Schallisolierung, starker Halleffekte oder anderer Lärmquellen in Schulen: Schon mittelstarker Dauerlärm etwa von einer vorbeiführenden und vielbefahrenen Straße kann die Leistung beeinträchtigen und die Gesundheit belasten. Ein weiterer Stressfaktor kann eine zu hohe Schülerdichte pro Quadratmeter sein – größere Dichte führte zu schlechteren Leistungen, häufigeren Verhaltensproblemen und ausgeprägterem Stressgefühl. Weitere Studien zeigen, dass positiv erlebte Schulbau-Umgebungen (mit Fenstern versehene statt fensterlose Klassenzimmer oder »warme« Beleuchtung statt Neonlicht) die Krankheitsrate der Schüler senken.

Meine eigenen Untersuchungen haben nachgewiesen, dass die Schularchitektur ausgeprägte körperliche Auswirkungen hat: Je nach Formen und Farben werden Spannungs- und Entspannungsgefühle, die Gefäßdurchblutung, Blickbewegungen und andere physiologische Parameter in einer jeweils besonderen Weise provoziert; diese leibliche Komponente der Architekturwirkung macht erst verständlich, warum Schulvandalismus, Krankheitsanfälligkeit oder Antipathien durch bestimmte Schulbauformen hervorgerufen oder vermindert werden. Einige Forschungsarbeiten weisen darauf hin, dass unterschiedliche Farben und Materialien, eine Voll- oder Teilspektrum-Beleuchtung sowie Tages- oder Kunstlicht auf die Herzfrequenzvariabilität, den Blutdruck und das körperliche Wohlbefinden wirken. Kinder, in deren Schul- und Wohnumfeld sich Bäume, Gärten, Parks oder Wiesen befinden, zeigen in der Schule bessere Leistungen als vergleichbare Kinder aus einer dicht bebauten Umgebung. Das manifestiert sich in den Testresultaten, wenn Schüler von der einen in die andere Umgebung umziehen. Der Effekt ist vermutlich auf die entspannenden physiologischen Wirkungen dieser Naturlandschaften zurückzuführen.

Untersuchungen in den USA von Glen Earthman und anderen Forschern haben gezeigt, dass die Schulleistungen in fast allen Fächern durch ein architektonisches Umfeld verbessert werden können, das Kindern und Jugendlichen sympathisch erscheint; werden Schulgebäude antipathisch erlebt, verschlechtern sich im statistischen Schnitt die Schulleistungen. Studien dieser Art sind mit ähnlichen Ergebnissen ebenso an zahlreichen amerikanischen Einzelschulen durchgeführt worden. Auch technische Eigenschaften wie zum Beispiel thermischer Komfort (nicht zu heiß im Sommer, angenehme, nicht zu trockene Raumluft im Winter) und vor allem eine gute, blendfreie Belichtung in den Klassenräumen führen zu erhöhter Leistungsbereitschaft sowohl der Schüler als auch des Lehrpersonals. Natürlich geht es bei allen Ergebnissen dieser Art um statistische Trends, die nicht jeden Einzelfall betreffen.

Beim Vergleich von großräumigen mit kleiner dimensionierten Schulgebäuden zeigte sich, dass die Schüler sich in den letztgenannten Gebäudetypen wohler fühlten und lieber lernten, als in den sogenannten »Dinosaurier-Schulen«. In dieser Hinsicht sind in einigen neuartigen und von der Kritik positiv bewerteten Reformschulen erneute Studien erforderlich, da manche dieser Gebäude teilweise innen sehr großräumig gestaltet sind und eine »Wartesaalatmosphäre« ausstrahlen. Andere indessen wurden im Inneren vielfältig unterteilt – sie enthalten kleine Lernecken, »Hütten«, Raumteiler aus Blumenbänken oder Bäume. Ein Beispiel ist die vieldiskutierte Hellerup-Schule in Kopenhagen.

Die Forschung hat auch gezeigt, dass die Lernumgebung beeinflussen kann, wie Schüler ihre Lehrer wahrnehmen. So zeigte sich in einer Untersuchung, dass Lehrer, die in streng rechteckig oder kubisch strukturierten Klassenräumen unterrichteten (»classic box classrooms«, vgl. Abbildung 1), auf einen Teil der Schüler strenger wirkten, als wenn sie in einer »lebendig« wirkenden Umgebung unterrichteten (Abbildung 2).

Verschiedene Untersuchungen machten auch deutlich, dass vielen Schülern das Essen in einer ästhetisch wohlgefälligen Schulmensa besser schmeckt als in einer hässlichen. Insgesamt ist diese »Einfärbung« der Wahrnehmung durch das architektonische Umfeld inzwischen aus der Architektur- und allgemeiner aus der Umweltpsychologie wohlbekannt.

Unterschiedliche Klassenräume

Einige Experimente, in denen Schüler verschiedenen Klassenraummilieus ausgesetzt und dabei beobachtet wurden, legen ein breites Spektrum von Wirkungen nahe: So reagierten sie nach einem achtstündigen Aufenthalt in einem als hässlich eingestuften Klassenraum, im Vergleich mit dem Aufenthalt in einem als schön bewerteten, mit Verhaltensmonotonie, Ermüdung, Kopfschmerzen, Reizbarkeit und Feindseligkeit. Ähnliche Effekte erzeugten in der amerikanischen Diskussion sogenannte »hard classrooms« im Vergleich zu »soft classrooms«, womit im ersten Fall Klassenräume der auf Abbildung 2 gezeigten Art gemeint sind, im zweiten Fall geht es um Klassenzimmer mit warm anmutenden Vorhängen, Fußbodenbelägen, Holzmöblierungen, Blumen oder Raumfarben (Abbildung 1).

Es kann also kein Zweifel daran bestehen, dass die Gestaltung von Schulgebäuden von erheblicher Bedeutung für die Leistungsfähigkeit, das Wohlbefinden und die Gesundheit Heranwachsender ist. Den Bauformen und Farben der Schulanlagen, dem Dekor und der Schulhofgestaltung muss daher die gleiche Aufmerksamkeit geschenkt werden, wie der Qualität der Lehre und Lehrpläne. Dass in dieser Hinsicht in vielen Architekturbüros und Bauverwaltungen eine ästhetische Alphabetisierung notwendig wäre, wird angesichts zahlreicher kalt, unfreundlich und langweilig wirkender Schulbauten leider nach wie vor deutlich.

Redaktionell bearbeiteter Auszug aus: Christian Rittelmeyer, Einführung in die Gestaltung von Schulbauten, Frammersbach 2013, S. 53 ff.

Zum Autor: Christian Rittelmeyer war bis 2003 Professor für Erziehungswissenschaft am Pädagogischen Seminar der Universität Göttingen.