Kassel ist ein Lichtblick

Valentin Hacken, Lara Scherrieble

Zweimal jährlich treffen sich mehr als 200 Waldorfschüler aus ganz Deutschland und setzen sich intensiv mit einem Thema auseinander. Dazu halten hochkarätige Referenten Plenarvorträge, wie etwa der Neurologe Volker Sturm, der Grünen-Europaabgeordnete Gerald Häfner (MdEP) oder die »Baumfrau« Julia Butterfly Hill (siehe anschließendes Interview). Daneben gibt es ein breites Programm an Trainingskursen und vertiefenden Seminaren. 

Drei Eigenschaften zeichnen die Symposien aus: Das breite Spektrum und hohe Niveau der Vorträge, die respektvolle Ansprache der Schüler als junge, eigenständig denkende Menschen und das ehrliche Interesse am Standpunkt der Teilnehmer. »So etwas gibt es an meiner Schule gar nicht«, hört man oft, wenn man sich mit den jugendlichen Teilnehmern unterhält.

Aber was ist es, was in der Schule so schmerzlich vermisst und hier gefunden wird? Es ist die Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen und philosophischen Fragen, die hier in der nötigen Radikalität stattfindet, und die Teilnehmer werden nicht didaktisch zu Allgemeinplätzen wie »Umweltschutz ist wichtig« gedrängt.

Nicht nur ihre Verständnisfragen sind erwünscht, sondern auch eigene Positionen in den teils sehr kontroversen Debatten. Radikal ist daran, das Spektrum der vorgetragenen Standpunkte weiter zu fassen, als dies die meisten Unterrichte können – oder wollen. Denn eigene Standpunkte lassen sich nur finden, wenn die volle Bandbreite an Haltungen vorurteilsfrei und neutral präsentiert wird. Wer etwa Argumente für den Kapitalismus von vornherein ausklammert, da sie ja »falsch« sind, unterschätzt die Intelligenz seines Gegenübers. Wer sich nur daran abarbeitet, Pro-Atom-Positionen zu widerlegen, verliert jede Achtung vor dessen Recht, sich eine eigene Meinung zu bilden.

Kassel ist zu einem Ort geworden, der Schüler auf exemplarische Weise ernst nimmt. Hier mutig zu bleiben und das Spektrum mit jedem Symposion breiter aufzufächern, das macht die Zukunftswerkstatt zu einem Vorbild für die Schulen.

Zu den Autoren: Valentin Hacken ist Abiturient und ehemaliger Vorstand der WaldorfSV – Bundesschülerrat und derzeitiger Geschäftsführer der WaldorfSV. Lara Scherrieble ist Mitglied im Vorstand der WaldorfSV.