Zwar hat das Buch einen appellativen Titel und der Untertitel klingt nach Gegnerschaft, doch der Inhalt ist positiv, interessant und voller Wärme. Der Autor reitet geharnischte Attacken gegen die Stiftung Haus der kleinen Forscher und gegen die Frühförderungspolitik von Wassilios Fthenakis, doch was Ansari in seinem Buch ausbreitet, geht über Kritik weit hinaus.
»Die Natur ist viel zu komplex, um sie verstehen zu können«, so lautet die Arbeitsmaxime des promovierten Chemikers und Lernpädagogen. Salman Ansari legt die Natur nicht auf Wissenstandards fest – dafür kennt er ihre Geheimnisse zu gut. Sein Vorwurf Fthenakis gegenüber ist, dass dieser zwei- bis fünfjährigen Kindern als erstes ein Experiment vorzusetzen empfiehlt, statt mit ihnen unvoreingenommen die Welt zu entdecken. Der Griff zum Experiment, so Ansari, suggeriere naturwissenschaftliche Kompetenzen, was keineswegs auf die Wirklichkeit der Kinder zutreffe.
Das Experiment transportiere schulische Machtstrukturen in den Kindergarten. Die Begegnung auf Augenhöhe und das gegenseitige Interesse an komplexen Naturphänomenen werde durch »Belehrungspädagogik« ersetzt, die Kinder reagierten mit Langeweile und Verdrängungsstrategien, mit Überforderung und Frust. So weit die Kritik. Ansari geht anders vor. Er tritt den Kindern mit der Haltung gegenüber, dass er allein schon deshalb von ihnen lernen kann, weil sie eben Kinder sind. Er rechnet mit ihrer Genialität und misst ihrem Bemühen, eine Sache zu bewältigen, einen hohen Stellenwert bei. Was auch immer Kinder bei Pflanzen, bei der Luft, dem Wasser oder beim Unterschied zwischen Erde und Sand betrachten und argumentativ verteidigen: Ansari greift es auf und gibt allen Dingen und Ideen die nötige Wertschätzung.
Auf über 200 Seiten entwickelt der Autor liebevoll und präzise, wie Kinder forschen. Die meisten Kinder sind dazu anscheinend natürlich begabt, während die Erwachsenen einen langen Lernweg zu gehen haben, um sich der kindlichen Forscherhaltung würdig zu erweisen. Ansari zeigt an vielen herzerwärmenden Beispielen, wie Kinder sich begeistern, wie sie entdecken, planen, überprüfen. Den Erwachsenen kommt die Rolle zu, die Kinder zum Üben zu ermutigen, ihre Risikobereitschaft zu unterstützen, ihr mit sprachlicher Differenziertheit zu begegnen und für Geborgenheit zu sorgen.
Salman Ansari: Rettet die Neugier! Gegen die Akademisierung der Kindheit, geb., 224 S., EUR 18,99, Fischer-Verlag, Frankfurt am Main 2013