Kreatives Schreiben im Unterricht – für Schüler und Lehrer

Alan Maley

Was ist Kreatives Schreiben?

Kreatives Schreiben geschieht aus einem ästhetischen Beweggrund heraus. Es geht nicht so sehr um Fakten, als vielmehr um phantasievolle Darstellung von Emotionen, Ereignissen, Charakteren und Erfahrungen. Dabei werden die Regeln der Sprache bis zur Zerreißgrenze gedehnt, es wird getestet, wie weit man sie treiben kann, bevor sie unter der Anspannung von Innovation und neuen Ideen zusammenbricht. Und es ist eine sehr persönliche Angelegenheit.

Was wird durch das Kreative Schreiben gefördert?

Kreatives Schreiben ist der Sprachentwicklung in allen Bereichen förderlich: in Grammatik, Wortschatz, Lautlehre und auch in der Kommunikation. Beim Versuch, einzigartige persönliche Eindrücke zu vermitteln, muss die Sprache verändert werden. Dies ermöglicht den Schülern ein weitaus tieferes Eintauchen in die Sprache, als es im Verfassen einer Erörterung denkbar wäre. Der Gewinn an grammatikalischer Genauigkeit, Angemessenheit und Originalität der Wortwahl, die Sensibilisierung für Rhythmen, Reime, Betonung und Sprachmelodie sind beträchtlich.

Kreatives Schreiben fördert außerdem die »Verspieltheit«. Befürworter des Spielens weisen zu Recht darauf hin, dass der Erwerb der Muttersprache bei Kindern stark mit dem Spielen einhergeht. Es geht darum, ohne Leistungsdruck mit der Sprache kreativ umzugehen.

Verspieltheit ermutigt die Schüler, in der Sprache Risiken einzugehen, sie ohne Furcht zu erforschen. Dadurch entdecken sie nicht nur die Sprache, die sie lernen, sondern auch sich selbst. Sie beginnen so etwas wie eine »Zweitsprachenpersönlichkeit« zu entwickeln.

Der Zuwachs an Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl, der bei Schülern mit dem Kreativen Schreiben einhergeht, führt zu einem entsprechenden Zuwachs an Motivation. Plötzlich erleben die Schüler, dass sie in der Fremdsprache Dinge ausdrücken können, die vor ihnen nie jemand auf diese Weise geschrieben hat. Außerdem sind sie nicht nur stolz auf ihr eigenes Produkt, sondern erfahren zudem Freude am Schaffensprozess.

Kreatives Schreiben führt auch zu kreativerem Lesen. Während sie in den Prozess des Texterschaffens hineinkommen, scheinen die Schüler intuitiv zu begreifen, wie solche Texte funktionieren, was sie dann wiederum lesbarer macht. Die Entwicklung ästhetischer Lesefähigkeiten vermittelt den Schülern ein besseres Verständnis des Textaufbaus, was wieder ihrem Schreiben förderlich ist. Um die Schreibfertigkeiten zu fördern, gibt es nur eine Sache, die besser ist, als Lesen – viel schreiben!

Tipps für die Praxis

Schaffen Sie eine entspannte, neutrale Atmosphäre, in der sich Ihre Schüler sicher genug fühlen.

Sorgen Sie dafür, dass die Arbeit Ihrer Schüler in irgendeiner Form »veröffentlicht« wird. Projekte können in einem einfachen Ringbuch oder in einer Klassenzeitung erscheinen. Mit Sicherheit finden sich Schüler, die in der Lage sind, eine Klassenwebseite zu erstellen, auf der Arbeiten vorgestellt werden können. Natürlich können Schüler ihre Arbeiten auch vorlesen oder anderen Klassen oder gar der ganzen Schule vorführen.

Ermutigen Sie die Schüler, über ihre Arbeiten in offener und freundlicher Weise zu diskutieren. Man erhält viele gute weitere Ideen, wenn man erst einmal eine Idee mit anderen teilt. Helfen Sie Ihren Schülern, eine Atmosphäre zu schaffen, in der Kritik ohne Verletzungen möglich ist.

Machen Sie Ihren Schülern klar, dass das, was man im Unterricht tut, nur die Spitze des Eisbergs darstellt. Um wirklich nachhaltig von diesen Aktivitäten profitieren zu können, müssen sie noch viel Arbeit außerhalb des Unterrichts erledigen. Das meiste, was wir lernen, lernen wir nicht im Unterricht.

Arbeiten Sie regelmäßig, vielleicht einmal pro Woche, mit kreativen Schreibaufgaben. Lässt man zuviel Zeit zwischen den einzelnen Sitzungen, muss man jedes Mal von Neuem beginnen.

Hello/Goodbye poems

Erzählen Sie Ihren Schülern, dass Sie ein Gedicht schreiben werden. Das Gedicht wird lediglich aus zwei Zeilen bestehen, von denen jede nur zwei Wörter beinhaltet. Die erste Zeile beginnt mit »Hello« und die zweite mit »Goodbye«. Geben Sie den Schülern ein oder zwei Beispiele: Hello sunshine, Goodbye rain. Oder: Hello smoking, Goodbye health.

Fragen Sie die Schüler, ob Ihnen eigene Zeilen einfallen. Halten Sie die Zeilen an der Tafel fest.

Die Schüler arbeiten nun zusammen. Sie sollten mindestens zwei neue Gedichte erstellen. Geben Sie ihnen zehn Minuten Zeit für diese Aufgabe. Fragen Sie nach den Beispielen und schreiben Sie sie an. Die Schüler sollten sich gegenseitig Feedback zu ihren Gedichten geben.

Diese Übung fordert von den Schülern ein Eintauchen in ihren Vokabelschatz und ein Nachdenken über Wörter, die von ihrer Bedeutung her in einer gemeinsamen oder wechselseitigen Beziehung stehen (z. B.: smoking/health). Diese Aufgabe kann auch als kurze Warm-up-Übung für andere Aufgaben dienen.

If you were …

Zunächst kopieren Sie den hier abgebildeten Entwurf:

If I were a fruit, I would be …
If I were a vegetable, I would be …
If I were a tree, I would be …
If I were a flower, I would be …
If I were a fish, I would be …
If I were a bird, I would be …
If I were a book, I would be …
If I were a song, I would be …
If I were the weather, I would be …
If I were a season, I would be …

Teilen Sie die Kopien aus. Fordern Sie die Schüler auf, in Einzelarbeit den Gedichtentwurf mit eigenen Worten zu vervollständigen. Geben Sie hierfür zehn Minuten Zeit. Ein Beispiel: If I were a fruit, I would be a grape.

In Vierergruppen tauschen sich die Schüler dann über ihre Schreibergebnisse aus und vergleichen. Im Anschluss sollte eine Diskussion in der Klasse erfolgen, bei der Zeile für Zeile die Gedichte besprochen werden.

Metaphor poems

Vervielfältigen Sie die folgende Wortliste, um sie später im Unterricht verwenden zu können.

Love                                      an egg

Hate                                      a tooth brush

Disappointment                a vacuum cleaner

Marriage                              a spoon

Friendship                           a knife

Hope                                     a mirror

Life                                         a window

Work                                    a cup

Time                                      a banana

Überprüfen Sie, ob Ihre Schüler mit dem Begriff der Metapher vertraut sind. Dann geben Sie Beispiele für Metaphern aus dem täglichen Leben: • A blade of grass • A sharp frost • Spending time • Save time • Opening up a can of worms • She’s a snake in the grass • He clammed up • He shelled out • A wall of silence

Tatsächlich ist unsere Alltagssprache derart voll von metaphorischen Ausdrücke, dass wir sie kaum noch wahrnehmen. Metaphern sind in unserer Sprache gängige Ausdrucksformen. Zugleich geben sie auch die Möglichkeit, neue Bereiche zu entdecken und Erkenntnisse zu gewinnen.

Teilen sie die Kopien aus. Fordern Sie die Schüler auf, drei Metaphern zu finden, indem sie einen Begriff der linken Seite mit einem der rechten Seite kombinieren (das Wort ›is‹ muss als Verbindungsglied eingesetzt werden). Die Schüler sollten nicht lange über die Kombinationen nachdenken. Zum Beispiel:

• Life is a window. • Friendship is a knife. • Love is a vacuum cleaner. • Marriage is a banana • Hate is a mirror.

Bitten Sie die Schüler nun, eine ihrer neuen Metaphern auszuwählen und sie um zwei Erklärungszeilen zu ergänzen. Zum Beispiel:

Marriage is a banana:
when you’ve eaten the fruit,
only the skin is left.

Hate is a mirror:
it reflects back
on the one who hates.

Erwähnen Sie, dass man kein unnötiges »weil« einzusetzen braucht und dass die Zeilen möglichst kurz gehalten werden sollten.

Fordern Sie die Schüler auf, ihre Metapherngedichte im Unterricht vorzutragen. Im Anschluss sollten sie eine bebilderte Darstellung ihrer Arbeit erstellen.

Diese Idee ist eine abgewandelte Übung aus Jane Spiro's hervorragendem Buch »Creative Poetry Writing«.

Zum Autor: Seit über 50 Jahren ist Alan Maley in der Fremdsprachendidaktik für Englischlehrer tätig. Seine Arbeit führte ihn in zehn verschiedene Länder u. a. nach China, Indien, Singapur, Thailand und Malaysia, Länder, in denen er auch lebte. Er war Serienherausgeber der Oxford Resource Books für Lehrer und publizierte über 30 Bücher und zahlreiche Artikel.

Literatur:

David Crystal: Language Play, London 1998; Zoltan Dornyei: Motivational Strategies in the Language Classroom. Cambridge 2001; Alan Maley and Mukundan Jaya-karan: Writing Poems: a resource book for teachers of English. Petaling Jaya 2011; Alan Maley and Mukundan Jayakaran: Writing Stories; a resource book for teachers of English. Petaling Jaya 2011; Jane Spiro: Creative Poetry Writing. Oxford 2004