Die Redewendung »Was uns nicht kaputt macht, macht uns stärker« kennen wir alle. Sie stammt aus einer Zeit, in der Kindererziehung im Wesentlichen auf Abhärtung, Gehorsam und Dominanz des Stärkeren beruhte. Das ist abzulehnen. Dennoch hat dieser Ausspruch einen wahren Kern, der uns darauf hinweisen kann, dass Krisen, ganz gleich in welchem Lebensalter sie uns treffen, immer auch einen Lernaspekt, eine Chance bereit halten, unser Leben neu zu ergreifen.
Als eigenständiges Individuum erlebt jeder Mensch seine Krisen auf seine Weise. Die Frage ist, welche Mittel ihm zur Verfügung stehen, sie zu meistern und aus ihnen gestärkt hervorzugehen. Das gelingt nicht bei jeder Krise. Dennoch hängt viel davon ab, welche Kräfte wir im Laufe unseres Heranwachsens entwickelt haben. Besonders die Entwicklungskrisen im Kindes- und Jugendalter und deren Überwindung können wichtige Meilensteine sein, Fähigkeiten zu erlangen, die uns im späteren Alter durchs Leben bringen.
Das vorliegende Buch enthält eine Sammlung von Aufsätzen, die einen Überblick über verschiedene Entwicklungskrisen in Kindheit und Jugend geben und Hilfestellungen für den Erzieher aufzeigen, das Kind auf die richtige Art und Weise zu begleiten. Unter anderem wird herausgestellt, dass durch die medizinische Entwicklung die Krisen bei Kind und Jugendlichem sich vom körperlichen auf seelische Bereiche verlagert haben und die Pädagogen sich einer immer größer werdenden Anzahl von sogenannten schwierigen Kindern gegenüber sehen. Krisen dürfen nicht als kurierbare Krankheiten angesehen werden, sondern sind Bestandteil einer gesunden menschlichen Entwicklung. Das Laufenlernen zum Beispiel und das damit verbundene ständige Hinfallen des Kindes stärkt seinen Willen, seine Aufrichtekräfte, sein Vertrauen in sich selbst und die Welt. Aber nicht jede Krise kann ohne Hilfe von außen bewältigt werden. Dies macht der Beitrag über Notfallpädagogik und Traumabewältigung deutlich. Die Scheinwelt des Internet mit ihren Facetten und Auswirkungen auf eine gesunde Entwicklung werden ebenso dargestellt wie bestimmte Gesetzmäßigkeiten in der Entwicklung des Kindes um das 7., 9. und 12. Lebensjahr.
Dem Herausgeber ist es durch die Auswahl der Beiträge gelungen, deutlich zu machen, dass es Aufgabe von Eltern und Erziehern sein muss, Krisen als Chance in der Entwicklung eines Kindes und Jugendlichen zu begreifen. Und deutlich wird, wie die Erwachsenen ihre Rolle als Begleiter und Unterstützer wahrnehmen können. Ein gutes und wichtiges Buch in der pädagogischen Reihe des Verlages.
Andreas Neider (Hrsg.): Krisenbewältigung – Widerstandskräfte – Soziale Bindungen, brosch., 323 S., EUR 19,90, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2011