Erst informieren, dann kritisieren

Albrecht Hüttig

Der Leserbrief von Rada Pakrowska zu dem Bericht von Christoph Johannsen über »Osteuropäische Annäherung. Die IAO feierte ein großes Fest in Riga« entspringt einer Erwartung besonderer Art und kritisiert letztlich das ganze »Fest«. Die Reihung von Fragen, auf die im Einzelnen nicht eingegangen wird, erweckt den Anschein, als ob die Situationen in den einzelnen Staaten in Mittel-Osteuropa den Akteuren unbekannt wären. Das ist eine Unterstellung. Die Situationen sind von Staat zu Staat viel differenzierter, als dass sie mit Pauschalantworten behandelt werden könnten. Die Frage: »Welche Schritte unternimmt die IAO, um die Waldorfbewegung besonders in Osteuropa an das gesellschaftliche Leben dort anzupassen« ist, mit Verlaub gesagt, eine Unfrage. Da wird das realitätsfremde Bild entworfen, dass es eine abstrakte Waldorfbewegung gäbe, die es zu modifizieren gelte, und zwar durch eine Institution. Die IAO besteht aus den Vertretern der einzelnen Staaten Mittelosteuropas, die dort tätigen Pädagoginnen und Pädagogen realisieren vor Ort Waldorfpädagogik, und die Institution IAO hilft, wo immer sie kann. Das ist die Realität. Selbstverständlich – und eigentlich vollkommen überflüssig, es zu erwähnen – gibt die IAO jährlich Rechenschaft darüber, was sie unternimmt. Peinlich ist, wenn im Ton der Kritik gefragt wird, »ob man im Dialog mit den Behörden und den akademischen Kreisen« stünde. Woher das Bild kommt, Waldorfschulen – egal, wo in der Welt – würden beides nicht tun, entzieht sich meiner Einsicht, wobei der Ausdruck »mit den akademischen Kreisen« eine viel zu undifferenzierte Formulierung darstellt. Uninformiertheit paart sich hier mit einer weiteren Unterstellung.

Der Kulminationspunkt wird erreicht, wenn es in diesem Leserbrief heißt: »20 Jahre sind Zeit genug, Verantwortung zu übernehmen«. Wer, bitte schön, hat sie denn nicht übernommen? Oder soll das heißen, dass die Vertreter der Waldorfpädagogik verantwortungslos handelten? Die Waldorfpädagoginnen und -pädagogen, die Unterstützer der IAO, die für die IAO Tätigen kennen nur eines: genau diese Verantwortung zu übernehmen. Etwas anderes anzunehmen ist absurd. »Nur Musizieren, Tafelzeichnen, Eurythmie, feiern und gemeinsam Volkstanz machen sind nicht genug.« Auch wenn es schwerfällt, auf solche Polemiken einzugehen, sei angeführt, dass es sich in Riga um einen umfangreichen internationalen Waldorfkongress gehandelt hat, mit einem pädagogischen Thema, Kursen und Plena. Ein Blick in das Tagungsprogramm wäre hier nützlich gewesen.

Es ist Rada Pakrowska zu empfehlen, sich erst zu informieren und dann zu kritisieren. So ist ein Zerrbild entstanden – peinlich für denjenigen, der Riga erlebt hat, sich in der Arbeit der IAO engagiert und viele Waldorfpädagoginnen und -pädagogen in Mittelosteuropa kennt.

Zum Leserbrief: Feste oder Fakten