Sittenwidrigkeit und Sonderungsverbot

Christian Wolf

Die Autoren gehen ein wichtiges Thema beherzt an. Leider wird eine grundlegende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.8.2015 (Aktenzeichen 5 AZR 500/14) nicht erwähnt, geschweige denn berücksichtigt. In dieser Entscheidung wird festgelegt, dass eine Bezahlung, die weniger als 80 Prozent der Vergütung im öffentlichen Dienst beträgt, sittenwidrig sei. In Verbindung mit Artikel 7 Absatz 4 Satz 4 Grundgesetz hängt davon die Schulgenehmigung jeder Schule in freier Trägerschaft, also auch jeder Waldorfschule, ab.

Daraus ergibt sich für die Schulträger ein nicht immer einfach zu lösendes Problem. Nämlich das Dreieck aus öffentlichem Zuschuss, Schulgeld und Mitarbeitervergütung. Die Bezahlung der Lehrkräfte darf einerseits nicht unter 80 Prozent sinken, andererseits soll das Schulgeld der Höhe nach nicht gegen das Sonderungsverbot des Artikel 7 Absatz 4 Satz 3 Grundgesetz verstoßen – ebenfalls eine Genehmigungsvoraussetzung. Der Artikel erweckt den Eindruck, als gäbe es einen großen Verhandlungsspielraum oberhalb des Mindestlohngesetzes. Dem ist aber nicht so. Die 80-Prozent-Grenze gilt in jedem Bundesland unabhängig von der jeweiligen Bezuschussungsregelung für freie Schulen. Der Mindestlohn beträgt monatlich seit 1.1.2019 EUR 1590,00. Das Einstiegsgehalt für Lehrer z.B. in Sachsen beträgt EUR 3821,00 monatlich und kann in Stufe 6 bis auf EUR 5681,00 monatlich steigen (alle Werte jeweils Arbeitnehmer-Brutto, inkl. Sonderzahlung nach TV-L). Schulhaushalte, die unter diesen Bedingungen noch nennenswerte Spielräume aufweisen, dürften die Ausnahme sein.

Arbeit und Einkommen an Waldorfschulen