Unzulässige Politisierung?

Roland Schröter-Liederwald

Die Gründung eines »Arbeitskreises gegen Rechts« an Waldorfschulen ist für Frau Traut also ein Angriff auf die Meinungsfreiheit. Sie sieht darin eine unzulässige »Politisierung« der Waldorfschulen, die dazu führen könne, dass die Menschen in unseren Schulen sich nicht mehr trauen, offen zu sprechen, aus Sorge, als irgendwie »rechts« verdächtigt und eingeordnet zu werden.   

Frau Traut fährt weitere scharfe Geschütze auf, indem sie die Stasimethoden der DDR-Zeit bemüht, um Analogien zur Gründung des o.g. Arbeitskreises herzustellen. Sie sieht ein System voraus, in dem Eltern, Lehrer und Schüler bespitzelt werden (von wem eigentlich?), wie es in totalitären Staaten üblich ist. 

Wie absurd diese Vergleiche sind, zeigt die interaktive Plattform der der AFD in Hamburg, über die sich Lehrer, Eltern und Schüler über angebliche Propaganda im Klassenzimmer beschweren können. Die Rechtspopulisten nennen diese Aktion übrigens »Neutrale Schule Hamburg«. Die AFD (deren völkisch-nationalistischer Flügel den Holocaust verharmlost) propagiert also genau das, was Frau Traut für die Waldorfschule prophezeit, wenn sich dort Menschen gegen Rechts engagieren. 

Ist es nicht allzu deutlich, dass nationalistische, rassistische, autoritäre und letztlich rechtsextreme Einstellungen längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind? Anders als Frau Traut habe ich die Sorge, ob unsere liberale Demokratie für diese tatsächlichen Angriffe auf die Meinungsfreiheit gewappnet ist. Entsprechende Entwicklungen in einigen Staaten der Europäischen Union sprechen eine deutliche Sprache.

Demokratische Erziehung in der Schule kann und darf nicht im geisteswissenschaftlichen Elfenbeinturm stattfinden. Sie muss Standpunkte beziehen und sich in gesellschaftliche Kontroversen einmischen. Auch die »Waldorfwelt« ist nicht homogen. Auch hier darf es lebendige politische Auseinandersetzungen geben. 

Es ist übrigens keineswegs ehrenrührig, sich »gegen« etwas einzusetzen. Das beweist uns gerade die neue Jugendbewegung »Fridays for future«, die sich lautstark öffentlich gegen den Klimawandel artikuliert.

Die Bewegung »Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage«, die Frau Traut als Alternative zu Arbeitskreisen gegen Rechts befürwortet, würde derartige schulische Initiativen durchaus begrüßen, da ihre Aktivisten wissen, dass Rassismus im ideologischen Portfolio der Rechten eine zentrale Rolle spielt.

Ich war bisher auf zwei Zusammenkünften des Arbeitskreises gegen Rechts. Dort gab es anregende Vorträge eines Extremismusforschers und differenzierte Diskussionsbeiträge von anwesenden Schülern, Eltern und Lehrern. Ich würde mir wünschen, dass insbesondere noch viel mehr Schüler in dieser Weise »politisiert« werden. Denn wir brauchen junge Menschen, die aktiv für Demokratie und Menschenrechte eintreten.

Roland Schröter-Liederwald 

Zum Autor: 26 Jahre Klassenlehrer. Seit diesem Schuljahr Lehrer für Geschichte, Sozialwissenschaft und Politik in der Blote-Vogel-Schule in Witten.