Wir können die Welt nur selbst verändern

Wolfgang Debus

Leider ist der Druck im System immer noch nicht groß genug.

Und die, die es angeht – die Kinder und Jugendlichen – haben keine Stimme. Mal wieder bestimmen die Erwachsenengruppen den Veränderungsprozess. Und darunter die mächtigen Lobbygruppen der Lehrerverbände, der Lehrergewerkschaft, der Elternvertreter (die selten mehr sind als gewählte Vertreter, die aber ihre eigenen Interessen vertreten). Nicht zuletzt haben auch die Beamten der Schulverwaltung ein gewichtiges Wort mitzureden – vom Schulrat bis zum Kultusminister.

Und alle die gut eingefahrenen hierarchischen Strukturen im deutschen Bildungssystem, die Solidität des Beamtentums, die nicht nachvollziehbare unterschiedliche Bewertung (= Bezahlung) der Arbeit in den verschiedenen Schularten, dazu der Schulbesuch unter Zwang – das alles lässt ein langes Tauziehen um Pfründe und erkämpfte wie ersessene Sonderrechte erwarten. Dass unseren Kindern endlich Würde zugestanden und Liebe zuteil wird, dass sie endlich nicht mehr als Versuchskaninchen für Ideale missbraucht werden, um die viel geredet und viel Papier verschwendet wird, die aber zu selten in der Unterrichtspraxis ankommen, wage ich zu bezweifeln.

Dabei will ich nicht unerwähnt lassen, dass es immer wieder hervorragende Bemühungen von Pädagogen gibt, die in kinderreifen Schulen münden.

Aber wo haben die »Treibhäuser der Zukunft« (Dokumentarfilm von Reinhard Kahl über besonders gelungene Schulprojekte aus dem Jahr 2004, alles keine Waldorfschulen) abgefärbt? Und auch die Waldorfschul-Methodik hat kaum den Aufbau und Umbau der Regelschulen in Deutschland beeinflussen können.

Schon lange hätte man – zum Wohle der Kinder – voneinander lernen können.

Würden die unterschiedlichen Reformschulen, die Bekenntnisschulen und die öffentlichen Schulen an der Basis, d.h. von den Lehrerschaften aus, Brücken statt Mauern bauen, käme das allen zugute. Stattdessen denkt man, es könne »von oben« und mit der Veränderung von Äußerlichkeiten eine würdevolle Begleitung der Schülerinnen und Schüler erreicht werden. Gestern wollte man »integrativ« arbeiten, heute soll es »inklusiv« sein. Beide Vorhaben sind für den Schulalltag leere Worthülsen geblieben. (Wiederum: es gibt einzelne rühmliche Ausnahmen.) Gestern war die Gesamtschule die Lösung, heute soll es nach einigen anderen Versuchen die Gemeinschaftsschule sein.

Erlauben Sie, dass ich Ihrer positiven Charakterisierung der Gemeinschaftsschule misstraue. Ich kenne die Verhältnisse in Baden-Württemberg nicht. Aber die genauere Beschreibung des Umgangs mit der Notengebung auf den Gemeinschaftsschulen, wie sie auf der offiziellen Website des Kultusministeriums zu lesen ist, mag zwar die Bedeutung der Notengebung verändern, aber dass »die Gemeinschaftsschulen keine Noten kennen«, wie Sie in Ihrem Artikel schreiben, davon kann keine Rede sein. Unsere neue Kultusministerin, Wara Wende, hat hier Ruhe einkehren lassen, ist aber mit ihrer Ankündigung, die Noten abzuschaffen, auf eine breite Front von Widerstand, besonders bei den Lehrern gestoßen.

Ich habe inzwischen gelernt, allem zu misstrauen, was »von oben« verordnet wird.