Historisch

Mary-Joan Fajardo. Pionierin der Waldorfpädagogik auf den Philippinen

Nana Göbel

Gemeinsam mit ihrer Schwester Brenda Fajardo begab sie sich auf die Suche und lernte in einem Studienkreis einige an der Anthroposophie interessierte Menschen kennen. Sie knüpften Kontakte zu dem Soziologen und Umweltaktivisten Nicanor Perlas und seiner Frau Kathryn, die 1987 aus den USA zurückgekehrt waren, mit Bella und Joaquin Tan, mit der Waldorflehrerin Johanna Rieken, deren Mann am Goethe-Institut in Manila arbeitete, und mit dem Theaterpädagogen Manuel Pambid.

Bella Tan befand sich als junge Mutter auf der Suche nach einem geeigneten Kindergarten und war bestürzt, als sie während ihrer Kindergartenbesuche Situationen erlebte, in denen kleine Kinder mit dem Stock geschlagen wurden. Also fragte sie sich, wie denn Kleinkinderziehung eigentlich aussehen solle. Darüber kam sie mit Mary-Joan Fajardo immer intensiver ins Gespräch und mit der Zeit lernten die beiden Frauen die Waldorfpädagogik immer besser kennen. Sie merkten beide, dass eine Waldorfeinrichtung genau die Antwort auf die von ihnen wahrgenommenen Nöte sein könnte. So entschlossen sie sich 1989 jeweils zu einer Ausbildung. Mary-Joan Fajardo zog nach Spring Valley, USA, um sich am Sunbridge College zur Waldorflehrerin ausbilden zu lassen, während Bella Tan in Melbourne, Australien, eine Waldorferzieherausbildung machte. 1991 kamen sie zurück, prüften ihr Anliegen und bereiteten die Gründung vor. Als ersten Schritt organisierten sie öffentliche Vorträge und Präsentationen und nutzten alle ihre Möglichkeiten, um die Waldorfpädagogik im Land bekannt zu machen.

In den Jahren 1992 bis 1994 bereisten sie die Mountain Province im Norden und die Inseln Bohol und Negros in der Vi-sayas-Region im Süden von Luzon und hielten vor Erziehern von Tagesstätten, Waisenheimen und Kindergärten, vor Zuckerplantagenarbeitern und interessierten Eltern Workshops über Waldorfpädagogik und Kleinkinderziehung. Unermüdlich auf der Suche nach dem richtigen Ort und den Menschen, mit denen sich eine Pioniereinrichtung aufbauen lassen würde. 1992 richteten sie einen kleinen improvisierten Kindergarten auf der Ikapati-Farm in Quezon City (Großraum Manila) ein und bauten eine intensive Arbeit mit den Eltern der Kinder auf. Der Arbeit auf der Farm schlug aber zu wenig Interesse entgegen, so dass sie es sich anders überlegten und beschlossen, es in der Stadt zu versuchen.

Gründung folgt auf Gründung

1994 eröffneten sie den ersten Waldorfkindergarten in einem Gartenhäuschen und 1996 die Waldorfschule Manila in einer Garage auf dem Grundstück der Schwestern Mary-Joan und Brenda Fajardo in Rolling Hills. Brenda Fajardo, Künstlerin und Professorin für Kunsterziehung an der Universität der Philippinen in Diliman, Quezon City, blieb eine treue Unterstützerin der Bemühungen und Unternehmungen ihrer Schwester und zahlte auch deren Unterhalt im ersten Jahr, als es noch kein Geld für Gehälter gab. Bella Tan baute die Kindergartengruppe aus und Mary-Joan Fajardo übernahm die erste und im nächsten Schuljahr die kombinierte erste und zweite Klasse und bat Kathryn Carpenter Perlas, sie pädagogisch zu begleiten und zu unterstützen. Kathryn Carpenter brachte eine Menge Erfahrung mit, da sie viele Jahre an der Washington Waldorfschule, Maryland, als Klassenlehrerin gearbeitet hatte. Sie wurde nun zu einer wichtigen Helferin. Im Kindergarten tauchte alsbald Laura Catoy als Assistentin auf, erlernte das pädagogische Handwerk während der Arbeit und übernahm dann eine eigene Kindergartengruppe. Später gründete sie die Acacia Waldorfschule außerhalb von Metro Manila.

Mary-Joan Fajardo unterrichtete, unerfahren, aber mit großem Gottvertrauen, und fuhr während der ersten sechs Jahre jeweils in den Ferien nach Hawaii, um an der Honolulu Waldorfschule zu hospitieren und bei Diana Bell vom Kula Makua Lehrerseminar Rat zu holen. Schon von 1996 an kamen deutsche und australische Waldorflehrer zu Mentorenbesuchen und zu Kursen auf die Philippinen. Zur Stabilität der Schule trugen mit der Zeit sehr aktive Eltern bei. Sie arbeiteten im Schulverein mit, suchten neue Grund­stücke, kümmerten sich um die Finanzierung und sorgten dafür, dass die Lehrer Gehälter erhielten.

Mary-Joan Fajardo und Bella Tan erlebten auch das mit dem Schicksal der Waldorfbewegung verbundene Dauerproblem, den Lehrermangel. Sie mussten sich also um eine Ausbildung kümmern. Mittlerweile gründeten die sieben Pioniere sowohl die Anthroposophische Gesellschaft auf den Philippinen, als auch den Verein Rudolf Steiner Education in the Philippines, in dessen Rahmen Bella Tan 1999 ein dreijähriges berufsbegleitendes Kindergartenseminar eröffnete. An dieser von 1999 bis 2001 stattfindenden Ausbildung nah-men einige Pioniere der Waldorfbewegung auf den Philippinen teil. Mary-Joan Fajardo und Bella Tan richteten einen Grundkurs zur Lehrerbildung in englischer Sprache ein und öffneten ihn auch für Teilnehmer aus anderen Ländern der Region, genauso wie sie die verschiedenen Fortbildungskurse öffneten, unter anderem den ersten dreimonatigen Kurs im Sommer 1996 mit Horst Hellmann.

Durch die Präsentation der Ausstellung Waldorfpädagogik weltweit der Freunde der Erziehungskunst 1996 im Vargas Museum der Universität Manila konnte die Waldorfpädagogik einer größeren Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Unermüdlich und uneigennützig

Die humorvolle und immer für einen Schalk bereite Mary-Joan Fajardo bildete von Anfang an den Kern der Lehrergruppe der Manila Waldorfschule, wurde die Pionier-Waldorf-

lehrerin auf den Philippinen, diejenige, bei der jeder Rat suchte, war unermüdlich und uneigennützig tätig, fast ein bisschen unscheinbar. Das galt auch noch, als die Schule ihren endgültigen Platz in Timberland Heights gefunden und dort ein neues Schulhaus errichtet hatte, das sie 2010 bezog und in dem sie seither die lang ersehnte dauerhafte Schulheimat fand.

Um an der pädagogischen Qualität zu arbeiten, richteten die Kollegen eine schuleigene Fortbildung ein, für die Mary-Joan Fajardo verantwortlich zeichnete. Sie übernahm auch die Mentorenschaft für neue Erstklasslehrer und unterrichtete das erste Schuljahr gemeinsam mit den neuen Lehrern. Mit all ihrer Erfahrung wurde sie immer öfter gebeten, junge Waldorf-Initiativen zu begleiten und Lehrer auf den Inseln des weit verstreuten Landes auszubilden, Aufgaben, die sie immer gerne übernahm. Solange, bis ihre Krankheit es nicht mehr erlaubte und sie 2017 den Kampf gegen den Krebs verlor.