Medien-Virus

Henning Köhler

Etwas Vergleichbares hat es nie gegeben. Nicht die Politik treibe in der gegenwärtigen Krise die Medien vor sich her, sondern umgekehrt, schreibt Russ-Mohl. Er beklagt zudem die »erstaunliche Selbstgleichrichtung« der Berichterstattung. Das Ganze sei keine Verschwörung, sondern ein »Herdentrieb«. Mit dem Thema des Herdenverhaltens (»Group-Think«) unter Bedingungen der Unsicherheit beschäftigen sich Soziologen und Sozialpsychologen schon lange. Man verspricht sich von dem Angst erzeugenden medialen Flächenbombardement einen erzieherischen Effekt: Die Bevölkerung soll vorsichtig bleiben. Aber das ist, zumindest langfristig gesehen, eine Fehlkalkulation. Sicher, Angst kann hilfreich sein. Manchmal ist sie überlebensnotwendig. Doch wer Monate lang tagein tagaus mit immer denselben beängstigenden Botschaften attackiert wird (während relativierende Aspekte, wenn überhaupt, nur am Rande Erwähnung finden), schaltet früher oder später auf Durchzug. Dann entsteht eine Herdenimmunität ungewollter Art … nicht gegen das Virus, sondern gegen Warnungen vor dem Virus. Meines Erachtens ist der Medien-Hype ein Hauptgrund dafür, dass die Zahl der Infektionen wieder hochschnellt. Ich gehöre übrigens nicht zur Fraktion der »Corona-Rebellen«. Da wird eine Gegenöffentlichkeit organisiert, die den alten Leitmedien in punkto Panikmache kaum nachsteht. Wir müssen zur Ruhe kommen. Schon unseren Kindern zuliebe. Man kann auch unter Corona-Bedingungen das Leben mit ihnen sinnvoll gestalten – nicht jedoch im Zustand der Hyperventilation. Reinhold Niebuhrs Gelassenheitsgebet ist hier eine Hilfe: »Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.«

PS: Nach einer längeren krankheitsbedingten Pause melde ich mich zurück und sage all denen ein herzliches Dankeschön, die mich wissen ließen, dass ihnen meine Kolumne gefehlt hat.