Morgens um sieben auf dem Kroatenhügel

Christward Buchholz

7 Uhr: Die ersten Klassenlehrerinnen bereiten den Hauptunterricht vor. Da wird noch etwas am Tafelbild ergänzt, die Aquarelle von gestern werden angepinnt, ein Kissen ins Regal zurückgelegt. Einige treffen sich nachher im Lehrerzimmer und lesen den Wochenspruch.

Doch sie sind nicht die ersten im Haus. Schon seit 6.30 Uhr ist Leben in einem der Horträume. Wer eine Arbeitsstelle hat, muss pünktlich sein – möglicherweise auch morgens um 7 Uhr. Schön, dass das Kind dann schon in der Schule gut aufgehoben ist.

8 Uhr: Die Erzieherin, die heute Frühdienst hatte, kann eine Pause einlegen. Vielleicht nutzt sie die Zeit, um nun ihrerseits etwas zu richten und vorzubereiten. Jede Klasse hat ihren eigenen Hortraum, der genau so groß ist, wie der Klassenraum, nur vielfältiger genutzt. Denn hier wird mittags und nachmittags gegessen. Hier wird gespielt und gearbeitet, gebacken und gewerkelt, vorgelesen und ausgeruht, geflötet und gesungen, gelacht und ausprobiert, was die Erzieher anregen – ohne Erfolgsdruck, ohne Klassenziele, aber doch aus dem Wissen um Entwicklungsschritte, die in der jeweiligen Klassenstufe möglich und erwünscht sind.

9 Uhr: Da heute Mittwoch ist, treffen sich die Erzieher, die im Hort und in der Ganztagsschule von Klasse 1 bis 8 tätig sind. Erst frühstücken sie, dann haben sie Konferenz: manchmal gemeinsam, manchmal nach Altersgruppen getrennt. Bis zur 5. Klasse sind fast alle Schulkinder auch im Hort angemeldet. Dadurch hat jede Klasse ihre eigene Erzieherin oder ihren eigenen Erzieher. Acht Frauen und sechs Männer sind es. Staatlich anerkannte Erzieher, studierte Sozial-, Heil- oder Kulturpädagogen mit allen denkbaren Zusatzausbildungen. Nur waldorfpädagogisch ausgebildete Erzieher gibt es bisher für den Hort kaum. Dafür nehmen alle an den gemeinsamen Konferenzen und Fortbildungen des Kollegiums teil.

Überhaupt sind sie nicht Gast oder Anhang, sondern wichtiger Teil des Lehrer- und Erzieherkollegiums, das auch in der Vereinssatzung so heißt und nicht etwa nur das Lehrerkollegium. Denn der Hort ist gleichberechtigt im pädagogischen Aufgabenfeld der Schule, so wie etwa das Eurythmie- oder das Werklehrerkollegium, nur eben zahlreicher. Ungefähr ein Viertel der Pädagogen sind Erzieher, sowohl nach Zahl der Köpfe wie nach der Arbeitszeit, aber auch in der Übernahme aufwändiger und verantwortungsvoller Aufgaben in der Selbstverwaltung wie der Konferenzleitung, Schulleitung oder Vertretung des Kollegiums im Elternrat.

11 Uhr: Nun ist aber Schluss mit der Hortkonferenz. Denn für einige gibt es jetzt anderes zu tun. Eine Kollegin bringt ihre Klasse zur Sporthalle, ein anderer unterstützt die Handarbeitslehrerin, die mit seiner Hilfe 25 Kindern das Stricken beibringt. In der ersten Klasse ist auch noch eine Helferin im Freiwilligen Sozialen Jahr dabei. – Die 6 A hat eine Vertretungsstunde. Einige Lehrer sind im Vermessungspraktikum, andere zur Fortbildung. Außerdem ist Zeugniszeit. Gut, dass ein Erzieher die Klasse übernehmen kann.

13 Uhr: Bis zur 3. Klasse essen die Kinder zusammen in der Klasse an der sorgfältig gedeckten Tafel zu Mittag. Mit gemeinsamem Beginn und Ende, wie es nicht jedes Kind zu Hause erleben kann. Die älteren Hortkinder dürfen in den großen Speisesaal und ihr Essen selbst abholen und auswählen. Die Erzieher sind dabei und sorgen für einen geregelten Ablauf. Überhaupt unterscheidet sich der Mittel- stufenhort natürlich von den ersten Schuljahren. Die Kinder besuchen sich gegenseitig in ihren Horträumen und können klassenübergreifende Angebote wahrnehmen.

15 Uhr: Die ersten Kinder werden abgeholt. Nicht selten müssen Eltern hören, dass sie viel zu früh kommen. Denn die Bude ist gerade erst fertig geworden, der beste Freund bleibt sowieso noch da und endlich sind die Roller frei. Die Erzieherin redet ein ernstes Wörtchen mit einem Papa, denn mittags ist es zwar schon schön warm, aber morgens wäre eine Jacke für den Filius doch noch wichtig. Außerdem ist er montags auffallend müde, ob er an den Wochenenden genügend Schlaf findet? Anna und Jasmin aus der 8A arbeiten an ihrer Kräuterspirale. Ihre ehemalige Hortnerin betreut die Jahresarbeit. Die Jungen von der Modellbau-AG (10. Klasse) holen sich den Schlüssel für ihren Bastelraum.

17 Uhr: Nur noch wenige Kinder sind im Späthort. Eine Kollegin geht zum Baukreis, schließlich muss irgendwann über den Hortspielplatz geredet werden, der bei jedem Regenguss im Matsch versinkt. Ob nicht die Wege besser befestigt werden können?

18 Uhr: Doch, diesmal wurde das letzte Kind pünktlich abgeholt. Das ist gut, denn der Kollege ist noch mit der Klassenlehrerin verabredet. Ein Hausbesuch steht auf dem Plan. Eigentlich wollte man in diesem Schuljahr alle 25 Familien erreichen, aber da kam erst das Michaelsfest, das der Hort aufwändig vorbereitet hat, dann die Probenzeit fürs Weihnachtsspiel und nun ist Ostern vorbei und erst die Hälfte geschafft. Beim nächsten Elternabend wird man wohl hilfsweise einige Gesprächstermine in der Schule verabreden müssen.

20 Uhr: An einem einsamen PC wird der Plan für die nächste Ferienwoche getippt. Schließlich wollen viele Kinder rechtzeitig wissen, was sie erwartet. Gibt es wieder eine Hortreise in den Harz? Fahren wir diesmal mit der Seilbahn? Der Pädagoge für die Ganztagsbetreuung bespricht mit der Lehrerin der 7B die Pläne für das Klassenspiel im nächsten Schuljahr. Als erfahrener Theaterpädagoge ist er dafür genau der Richtige. Doch ebenso willkommen ist er den Deutschlehrern für die Klassenspiele der 12. Klassen oder den Musiklehrern für ihre kleineren Projekte zwischendurch. Er leitet auch die »Licht-AG«, das unverzichtbare, aus versierten Schülern gebildete Beleuchtungsteam, das vom Eurythmieabschluss bis zur Abifeier alles ins jeweils rechte Licht setzt.

22 Uhr: Zeit für die Rückschau. Was wäre unsere Schule ohne Hort und Ganztagsbetreuung? Eine halbe Sache.

Zum Autor: Christward Buchholz war Musik- und Klassenlehrer an der Freien Waldorfschule Magdeburg und ist heute Geschäftsführer der Schule.