Mündige Eltern als Antwort auf den Erziehungsnotstand

Erziehungskunst | Warum brauchen Eltern heute Hilfe bei der Erziehung ihrer Kinder?

Rainer Patzlaff | Kindererziehung war bisher gesellschaftlich tradiert oder geschah instinktiv. Heute sind die Instinkte weitgehend verloren, die Familienstruktur löst sich auf, Eltern erleben große Unsicherheit. Aber darin steckt auch die Chance, eine entwicklungsfördernde Pädagogik neu zu entdecken.

EK | Können Eltern also nicht mehr erziehen?

RP | Der Verlust der alten Fähigkeiten fordert uns heraus, sie bewusst wieder zu erwerben. Aber die Politik forciert stattdessen den Ausbau der Krippen, als ob es darum ginge, die Kinder vor ihren unfähigen Eltern zu schützen. Es gibt inzwischen Belege, dass Fremdbetreuung für die Kinder psychosomatisch problematisch sein kann.

EK | Sind die Kinder heute anders oder liegt es nur an den Eltern?

RP | Die Kinder sind heute viel wacher. Sie »röntgen« regelrecht ihre Bezugspersonen und leiden darunter, wenn Wort und Tat sich nicht decken. Statt als Individuum gewürdigt zu werden, wird ihnen aus falsch verstandener Elternliebe ein Leistungssystem aufgezwungen, in dem sie sich bewähren sollen, um für das Leben fit zu sein.

EK | Haben Kinder heute andere Bedürfnisse als früher?

RP | Nicht wirklich, so scheint mir. Aber sie leben in einer Welt von Konsum und Medien, die ihr tief menschliches Bedürfnis nach einer realen Ich-Du-Beziehung immer weniger befriedigt, sodass sie im äußeren Überfluss innerlich an Entbehrungen leiden.

EK | Welche Erziehungsziele vertreten Sie in der Ausbildung von Kindheitspädagogen und Elternberatern?

RP | Jedenfalls keine Rezeptpädagogik. Statt dem Leistungsdenken zu folgen, sollten wir gewissermaßen Hebammen der kindlichen Entwicklung werden, indem wir urteilsfrei auf das Kind schauen, welche Impulse in ihm leben, und denen echte Wertschätzung entgegenbringen. Die sogenannten Nebenübungen von Rudolf Steiner sind dabei eine große Hilfe.

EK | Was ist modern an einer solchen Erziehung?

RP | Modern ist, dass ich mich auf nichts Altes mehr stützen kann, sondern alles selbst erringen muss. Das ist nicht leicht, denn man setzt sich in diesem Bewusstwerdungsprozess auch mit den eigenen inneren Abgründen auseinander. Hier wollen wir unterstützen.

EK | Sollen Eltern gegen den Mainstream erziehen?

RP | Eltern atmen auf, wenn sie Menschen begegnen, die Neues nicht predigen, sondern konsequent praktizieren. Das macht ihnen Mut, die Erziehung ihrer Kinder als Selbsterziehung zu begreifen und sich nicht von der Politik und pädagogischen Ratgebern entmündigen zu lassen.

Die Fragen stellte Mathias Maurer.


IPSUM: Ausbildung für Elternberater, Medienpädagogen, Tagesmütter, Suchtberater. Forschungsprojekte, Schulsozialprojekt in Kiel, Bachelor Kindheitspädagogik an der Alanus-Hochschule. Am 23. 11. 2013 Alanus-Fachtagung »Fremdbetreuung als Gesundheitsrisiko?«

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