Neue Methoden und Inhalte sind gefragt. Lehrerbildung für inklusive Schulen

Ulrike Barth, Thomas Maschke

Lehrerbildung im Allgemeinen zielt auf die Entwicklung und Ausbildung von Fähigkeiten des Unterrichtens. Sie vermittelt den Lehrenden Grundsätze kindlicher Entwicklung und führt zur Anerkennung der grundsätzlichen Entwicklungsfähigkeit eines jeden Kindes. Sie bildet bei Lehrern die Bereitschaft aus, sich hinterfragen zu lassen, denn Offenheit und Flexibilität ermöglichen Veränderung und Entwicklung.

All diesen Zielen liegt die Aufgabe und der Anspruch der Selbsterziehung zu Grunde und die Frage: »Wie kann und muss ich mich verändern, um allen Schülern gerecht zu werden?« Lehrerbildung kann nicht abgeschlossen sein – weder für den Einzelnen, noch in sich. Lehrerbildung findet daher von dem Entschluss zum Ergreifen dieses Berufes bis zum letzten Arbeitstag statt.

Was bedeuten diese Aussagen für eine Lehrerbildung der inklusiven Pädagogik? Zunächst geht es darum, in der grundständigen Ausbildung von Lehrern etwas Neues zu entwickeln. In der inklusiven Pädagogik wird nicht mehr unterschieden zwischen Waldorflehrern und heilpädagogischen Lehrern, vielmehr wird eine allen Kindern gerecht werdende »Allgemeine Pädagogik« (Feuser) ausgearbeitet.

Studienschwerpunkt Inklusion in Mannheim

Das Mannheimer Institut für Waldorfpädagogik, Inklusion und Interkulturalität geht einen ersten Schritt in diese Richtung, indem es einen Studienschwerpunkt »Inklusive Pädagogik« innerhalb des Masterstudienganges Waldorfpädagogik (Klassenlehrer) entwickelt. Klassische heilpädagogische Elemente finden hier ebenso ihren Platz wie Fragen zum differenzierenden Unterricht und der Arbeit im Team. Letzteres wird nicht theoretisch gelehrt, sondern im Studium und den Praktika durch die Studierenden erprobt. Von Forschungspraktika an einer inklusiven Waldorfschule können sowohl Studierende als auch die Schule profitieren.

Darüber hinaus kann sich eine Schule in Richtung einer »Schule für alle« verändern, wenn einzelne Lehrer und Kollegien sich durch Fort- und Weiterbildung auf den Weg machen. Hierfür hat die Mannheimer Akademie für Waldorfpädagogik eine ganzjährige Weiterbildungsreihe mit zehn Wochenenden konzipiert, welche sich als ein ganzheitlicher Entwicklungsweg versteht. Die Themen reichen vom »Blick auf den Anderen« über den »Blick auf mich als Lehrer« zu einem »Blick auf alle gemeinsam«. Rechtsfragen werden ebenso erörtert wie Fragen der Schulentwicklung und die konkrete didaktische Umsetzung differenzierenden Unterrichtes.

Weitere Möglichkeiten der Lehrerbildung und -entwicklung sind Veranstaltungen in einer Schule oder Kooperationen zwischen bestehenden (Regel-)Waldorf- und heilpädagogischen Schulen. Aus der Beschäftigung mit den Leitgedanken der Inklusion, dem Kennenlernen der jeweiligen Arbeitsweisen, der Sichtweisen auf die Kinder sowie dem Impuls, Neues zu entwickeln, kann ein Dialog entstehen, der Entwicklungen ermöglicht, die alleine nicht zu bewältigen sind. »Bildungsregionen« entstehen durch Vernetzung guter Praxis, über die Schule(n) hinaus. Das Wort »Dialog« bezeichnet einen Grundzug von »Inklusion«.

In der Übergangsphase zur inklusiven Schule darf das vorhandene Handlungswissen nicht verloren gehen. Bestimmte Kollegien, die bereits vielfältige Erfahrungen mit einer breiten Heterogenität im Unterricht sowie dem Teamteaching haben, können eine wichtige Aufgabe übernehmen, indem sie Wissen weitergeben und den Erfahrungsaustausch anbieten. Um eine erfolgreiche Inklusion in der Regelschulklasse zu erreichen, muss der Unterricht umstrukturiert werden. Die unterstützende Hilfe, die Kindern gewährt wird, darf sich nicht ausschließlich auf das behinderte Kind fokussieren. Inklusion soll den gesamten Unterricht verbessern und die Bedürfnisse aller Schüler unabhängig von einer Behinderung berücksichtigen (Sander 2001).

Zu einer solchen Fort- und Weiterbildung an einer Schule, die sich bereits Erfahrungswissen auf dem Weg zur Inklusion angeeignet hat, gehören verschiedene Basisthemen:

  • Wissen über kindliche Entwicklung
  • Prozessdiagnostik und Anleitung zur Arbeit mit Entwicklungsplänen
  • Teamteaching, Kooperation, Netzwerk und differenzierender Unterricht
  • Didaktisches und Methodisches.

Eine andere Möglichkeit wäre der umgekehrte Weg: Schulen, die sich auf den Weg zur Inklusion begeben, gestalten sich strukturiert um, zum Beispiel aufgrund des »Index für Inklusion« (oder durch andere Maßnahmen zur Organisationsentwicklung) und holen sich Experten ins Haus, um ihr eigenes Netzwerk zu bilden. Auch Expertenkommissionen, die sich derzeit mit den Fragen inklusionsorientierter Fort- und Weiterbildung beschäftigen, schlagen für Schulen Weiterbildung zur Inklusion vor, in welche erfahrene Lehrer ihre fachliche und berufspraktische Kompetenz einbringen können. – Ein Weiterbildungsstudiengang »Inklusion« wäre wünschenswert, um ein qualifiziertes und systematisches Fortbildungsangebot zu machen, das über die gegenwärtigen anfänglichen Ideen zu dieser Thematik hinausgeht. Wir befinden uns im Übergang zu einer Schule für alle Kinder und müssen eine Lehrerbildung für alle Schüler dringend in Angriff nehmen.

Dr. Ulrike Barth ist Waldorflehrerin und Sonderpädagogin an der Freien Waldorfschule Kreuzberg. Sie ist Mitinitiatorin und -entwicklerin des integrativ / inklusiven Schulzweiges dieser Schule.

Dr. Thomas Maschke ist Klassenlehrer an der Kaspar Hauser Schule in Überlingen und Dozent am Institut für Waldorfpädagogik, Inklusion und Interkulturalität  in Mannheim

Literatur:

Tony Booth, Mel Ainscow: Index für Inklusion. Lernen und Teilhabe in der Schule der Vielfalt entwickeln, Halle-Wittenberg 2003;

Georg Feuser: Behinderte Kinder und Jugendliche: Zwischen Integration und Aussonderung, Darmstadt 1995;

Alfred Sander: Von der integrativen zur inklusiven Bildung, Middelfart 2001, http://bidok.uibk.ac.at/library/sander-inklusion.html#id2983984) [Stand 25.3.2013]