Nordischer Meister in Oslo. Masterstudium mit Forschungskompetenz als Schwerpunkt

Arve Mathisen u.a.

Es ist nicht lange her, dass Lernen und Entwicklung den Kindheits- und Jugendjahren vorbehalten war. Erst spät im 20. Jahrhundert entstand ein neues Verständnis dafür, dass auch das Leben im Erwachsenenalter seine Entwicklungsdynamik hat. Es zeigt sich als ein potenziell spannendes und inhaltsreiches Entwicklungsdrama. Eine Möglichkeit, hier »auf die Bühne zu kommen« und einige herausfordernde und inhaltsreiche »Akte« zu erleben, kann sein, einen Master in Waldorfpädagogik zu machen. Gleichzeitig ist es notwendig, eine pädagogische Forschungskultur zu entwickeln, die dem wissenschaftlichen Standard entspricht, und eine enge Beziehung zur Berufspraxis hat.

Der Masterstudiengang an der Rudolf Steiner Hochschule in Oslo wendet sich an Menschen mit pädagogischer Ausbildung und Erfahrung. In zwölf Wochen Unterricht wird eine Grundlage dafür geschaffen, dass jeder Student eine selbstständige Forschungsarbeit durchführt. Dazu gehört insbesondere die Erarbeitung eines Spektrums an Forschungsmethoden – vom Interview über Observation bis zur Analyse von Texten.

Bei der Formulierung individueller Forschungsfragen helfen Themen aus dem Berufsleben. Nachdem man viele Jahre als Musiklehrer, Schulleiter, Sozialpädagoge oder im Gartenbau mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet hat, bietet das Studium eine einzigartige Möglichkeit, seine Kenntnisse und Fähigkeiten zu vertiefen. Eine andere »Kompetenz« und für viele vielleicht die wichtigste, die sich in einem solchen Masterstudium entwickeln kann, gilt den tieferen persönlichen Entwicklungsmotiven. Mehrere ehemalige Studenten haben berichtet, wie das Studium sie weit über das rein Fachliche hinaus inspirierte und zu neuen Formen der Selbsterkenntnis führte. Viele erfuhren, dass sie sich plötzlich auf vollständig unbekanntem Territorium befanden. In solchen Situationen zeigt sich die eigene Verwundbarkeit. Ein Student konnte sich gut an die Erfahrung erinnern, »wieder wie ein Kind zu werden« und parallel dazu die Gewissheit zu haben, längst ein »Meister« innerhalb seines Berufes zu sein.

Für einen Pädagogen ist die Sorge für die eigene Entwicklung mehr als ein persönliches Motiv. Die Verantwortung, andere in ihrer Entwicklung zu führen, hängt auf intime Art mit der Verantwortung zusammen, selbst in Entwicklungsprozesse hineinzugehen. Die Fähigkeit, Kinder, Jugendliche oder Erwachsene auf ihrem Entwicklungsweg zu begleiten und zu inspirieren, ist meist daran geknüpft, dass der Lehrer selbst reift. Um anderen beizustehen, ist es gut, am eigenen Körper und der eigenen Seele zu erfahren, was es heißt, seinen Horizont zu erweitern oder zu merken, wo Stillstand herrscht.

Die Studentenschaft der Rudolf Steiner Hochschule in Oslo ist international. Die Studenten des siebten Jahrgangs, der im Herbst 2011 angefangen hat, kommen aus acht Ländern und drei Kontinenten. Dies schafft ungeahnte Perspektiven. Zur Semestereröffnung erklangen bald afrikanische Trommeln, bald irische Volksmusik, englische Lieder und norwegische Hardingfele. Da war ein herrlicher Schwung drin!

Das Masterstudium findet in Vidaråsen statt, einer Camphill-Dorfgemeinschaft für behinderte Menschen südlich von Tønsberg, zwei Stunden von Oslo entfernt. Vidaråsen bietet einen wunderbaren und passenden Rahmen für das Studium, sowohl durch die phantastische Natur als auch durch die kulturelle Gemeinschaft, in die die Studenten eingeladen werden. Hier werden sie bekannt mit den unterschiedlichen Bedürfnissen der Dorfbewohner und mit dem internationalen Kreis der Mitarbeiter. Sie nehmen an Konzerten, Jahresfesten und Beerdigungen teil und in den täglichen Studienzeiten bewegen sie sich in die Ideenwelten der Theorien und der Forschung hinein. Für die Studenten bedeutet es viel, die zwölf Blockwochen frei von den Verpflichtungen des Alltags verbringen zu können. Das macht es erst möglich, sich in der schwierigen Kunst, akademische Texte zu lesen und zu schreiben, zu üben.

Arbeitsformen und Inhalt des Studiums

Der Tag ist so eingeteilt, dass die Studenten sich nach dem Frühstück in kleinen Gruppen treffen und eine halbe Stunde über das Vorlesungsthema des Tages reflektieren. So wird die Aufmerksamkeit geschärft und die eigenen Gesichtspunkte und Erfahrungen der Gruppe können zur Sprache kommen, bevor die Vorlesung beginnt. In den zwei darauffolgenden Stunden gibt es eine vertiefende Vorlesung zu unterschiedlichen Themen, von pädagogischer Theorie bis zu Forschungsmethoden. Hierzu kommen Vortragende aus dem In- und Ausland. Wir pflegen eine enge Zusammenarbeit mit der Alanus Hochschule in Deutschland, die eine deutsche Ausgabe des Masterprogramms der Rudolf Steiner Hochschule anbietet, den sogenannten »Oslo-Master«, und mit dem Crossfields Institute und dem Ruskin Mill Educational Trust in England.

Nach der Vorlesung wird den Studenten eine künstlerische Arbeitseinheit geboten, oft mit Musizieren und Bewegung. Danach wird der theoretische Lernstoff mit Übungen vertieft und konkretisiert. Der gesamte Unterricht und alle gemeinsamen Gespräche finden auf Englisch statt, während die schriftlichen Aufgaben auf Norwegisch, Schwedisch, Dänisch, Deutsch und Englisch abgegeben werden können.

Links: Rudolf Steiner Hochschule Oslo | Alanus Hochschule