In Bewegung

»Grüne Zukunft« an der Freien Waldorfschule Trier

Mario Gilcher, Christoph Hartmann
Nichts ging mehr ohne Videokonferenz.

Obwohl all diese Punkte wichtig sind, um den Treibhausgas-Ausstoß der Schule zu reduzieren, war das vielen nicht genug. Die Rolle der KITA und Schule als Bildungseinrichtung sollte in den Vordergrund gestellt werden. So entstand neben den Arbeitsgruppen Energie, Ressourcen, Mobilität und Ernährung eine AG mit dem Fokus auf Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE). Obwohl viele gerne schnellstmöglich Hand anlegen wollten, um Maßnahmen umzusetzen, war der erste Schritt die genaue Ausformulierung der Ziele. Klimaneutralität war zwar der Ausgangspunkt, aber bei BNE geht es ja nicht um die Emissionen der Bildung, sondern um Bildung über Emissionen. Außerdem hatten wir uns bewusst entschieden, den Nachhaltigkeitsbegriff in seiner vollen Breite aufzufassen, also außer dem Klimawandel die wirtschaftlichen, sozialen, politischen und andere umweltrelevante Aspekte mit einzubeziehen.  Am Ende der Überlegungen stand die Idee »Wir möchten in KITA und Schule im Bewusstsein unserer politischen Verantwortung zu nachhaltigem Handeln erziehen«, und das Kernziel, »jedem Lehrer die Mittel zur Verfügung zu stellen, BNE-Inhalte den Schülern altersgerecht zu vermitteln«. In syste­mischem Konsensieren wurde auch der Name unserer Gruppe generiert: »Grüne Zukunft«. In der Waldorfpädagogik wird schon immer Wert auf Nachhaltigkeit gelegt, beispielsweise durch Nutzung lokaler Produktionsketten und einen bewussten Umgang mit Rohstoffen. Daher machten wir uns an die erste Bestandsaufnahme. Alle Lehrer- und Erzieher:innen der Waldorfschule und KITA bekamen einen Fragebogen, in dem sie ihre Grundhaltung zum Thema BNE und entsprechende Unterrichtseinheiten darlegen sollten.

Der Rücklauf von über 50 Prozent und die weit überwiegende Ansicht. BNE sei bedeutsam, waren erfreulich. Immerhin konnten insgesamt über 100 Unterrichtseinheiten dokumentiert werden, allerdings unterschiedlich verteilt auf Altersstufen und Fachbereiche. Als individuelle Hürden wurden genannt: Mangelnde Zeit und Kenntnis geeigneter Methoden. Es wurde aber grundsätzlich Offenheit für BNE-Fortbildungen signalisiert. Die bereits existierenden BNE-Elemente im Unterrichtsalltag sind natürlich eine sehr gute Basis für unsere Arbeit gewesen. Nach einem von viel Distanz geprägten Frühjahr war es dann letzten Sommer so weit, dass die AG Bildung sich mit einem Großteil der Lehrkräfte zu einem Workshop treffen konnte. Das Ziel war, weitere Ideen stichpunktartig auf Karten zu schreiben, kurz vorzutragen und bei der richtigen Altersstufe an Stellwände zu heften. Außerdem wurden sie den Dimensionen »Klimawandel«, »Rohstoffe und Naturschutz« sowie »Soziale Gerechtigkeit« zugeordnet.

Das war uns besonders wichtig, weil BNE nicht nur auf ein paar Stunden über erneuerbare Energien in der Oberstufe reduziert werden darf. Schon in der KITA können entsprechende BNE-Inhalte altersgerecht vermittelt werden. Außer dem ohne Zweifel gravierenden Problem Klimawandel möchten wir ganz bewusst auf soziale Probleme eingehen, die auch für Grundschulkinder schon relevant sind (Benachteiligung von Minderheiten, Rassismus, Sexismus etc.).

Außerdem wollen wir vermeiden, dass ein verstärkter Fokus auf BNE gleichbedeutend ist mit mehr Zeitaufwand für die Lehrer:innen. Glücklicherweise können wir auch hier auf bereits etablierte Strukturen in unserer Schulgemeinschaft zurückgreifen (Patenschaften, Spül- und Pickdienst, Praktika, etc.). Nach genauer Erklärung des Konzepts war die eigentliche Ideensammlung ein Selbstläufer. Es wurde angeregt diskutiert und mit mehr Zeit hätten wir sicher mehr Stellwände gebraucht. Es fällt den meisten Lehrer:innen offenbar leicht, unsere Kinder für einen nachhaltigeren Umgang mit ihrer Umwelt zu begeistern. Ebenso auffällig war es, wie leicht sich viele dieser Ideen in die bereits an der Schule etablierten Strukturen eingliedern ließen.

Im Fokus war immer wieder die Schulküche, die mit ihrem Konzept (98 Prozent Bio-Zutaten, 71 Prozent vegane Mahlzeiten) schon jetzt für die Kinder und Erwachsenen als Vorbild fungiert. Im Zusammenspiel mit dem Schulgarten und kreativen Einzelaktionen können BNE-Aspekte der lokalen Nahrungsmittelproduktion besonders hervorgehoben werden. Es gab auch Ideen, um BNE-Aspekte in weniger naheliegende Schulfächer wie Religion, Geschichte oder Sprachen zu tragen.

Im Nachgang des Workshops stellt sich für uns vor allem die Aufgabe, was wir aus den vielen Ideen machen. Natürlich ist es schön, wenn die Schulküche bereits auf hohem Niveau agiert. Um ihre Vorbildfunktion stärker zu verankern, sollen die Schüler:innen aber noch stärker in die Praxis einbezogen und mit Zusammenhängen vertraut gemacht werden. Natürlich ist es richtig, dass es Schnitzel auf pflanzlicher Proteinbasis gibt. Aber die Schüler:innen werden sie besser annehmen und auch zuhause lieber essen, wenn sie nachvollziehen können, dass sie viel weniger Treibhausgase verursachen als ein Schweineschnitzel.

Entscheidend werden die Ausformulierung und Kommunikation der Ideen sein, damit sie von möglichst viel Lehrer:innen umgesetzt werden. Das Ziel ist also ein ineinandergreifender Ideenfundus, auf den alle über die Schul-Cloud Zugriff haben. Nachhaltigkeit darf kein schwammiger, abstrakter oder prätentiöser Begriff bleiben, sie muss ein allgegenwärtiger und selbstverständlicher Anspruch an uns selbst sein. Deshalb ist im kommenden Frühjahr ein weiterer Workshop geplant, damit das BNE-Pilotkonzept im Schuljahr 2022/23 offiziell starten kann. Parallel durchlaufen wir beim Pädagogischen Landesinstitut Rheinland-Pfalz die Zertifizierung als BNE-Schule. Es ist uns bewusst, dass bis dahin noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten sein wird, aber die »Grüne Zukunft« ist hochmotiviert, dieses Ziel gemeinsam mit dem Vorstand, der Verwaltung sowie der Schüler-, Lehrer- und Elternschaft zu erreichen.

Autoren:

Mario Gilcher (auf dem Foto unten links) ist Vater zweier Kinder an der Waldorfschule Trier und arbeitet seit 2014 als Hochschullehrer im Bereich Statistik und Umweltfernerkundung.

Christoph Hartmann (auf dem Foto oben 2. von links) ist promovierter Geoökologe, arbeitet seit 1989 als Gutachter und Dozent im Bereich Boden- und Grundwasserschutz und unterrichtet seit 10 Jahren Physik, Chemie und Feldmessen an der Waldorfschule Trier.  c.hartmann@waldorfschule-trier.de 

Literatur: Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Waldorfpädagogik. Bachelorarbeit von Heidi Engel, Universität Osnabrück, 2010 | Leitfaden Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Schule, Pädagogisches Landesinstitut Rheinland-Pfalz, August 2018 | Bildung für nachhaltige Entwicklung curricular verankern. Pädagogisches Landesinstitut Rheinland-Pfalz, September 2021

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