PISA belegt die naturwissenschaftliche Kompetenz der Waldorfschule

Barbara Chaloupek

Leonardo Da Vinci, Albert Einstein, Nils Bohr, Mahatma Gandhi, aber auch Pauli, Hannes und Sarah – alle waren sie anwesend im Studiensaal C 2 am Campus der Universität Wien. »Leonardo sammelte als Kind schon Steine und Käfer, Einstein war fasziniert von Motoren – der Ursprung des Interesses für Naturwissenschaften beginnt nicht mit Abitur und Studienwahl, der kommt aus der Kindheit, da spielt schon der Kindergarten eine Rolle«, so Christopher Clouder, CEO des European Council for Steiner Waldorf Education. Neugierig und verspielt sein, das gehört, laut Clouder, auch zu den Grundqualitäten, die es zum »Forscher«-Sein, zum Arbeiten in einer mehr und mehr technisierten Welt braucht. Dazu noch Offenheit für Erfahrungen, Sensibilität und die Bereitschaft, Risiken einzugehen. Er zündet eine Kerze an: Nicht um die Stimmung heimelig zu machen, nein: Auch hier zeige sich Wissenschaft. Plötzlich liegt neben der Kerze ein Handy: Es ist genauso Wissenschaft. Aber die Kerze – »it has a feel«, es ist warme Technologie. Und das Handy: Eine Black-Box. Wir haben eine Erfahrung des Umgangs damit, aber keine Erfahrung mit der Technologie dahinter.

Distanz überwinden

Es sind die letzten 50 Jahre, in denen sich die Technik geändert hat und damit auch die Erforschbarkeit der naturwissenschaftlichen, physikalischen Phäno­mene in unserem Umfeld: Den iPod, das Handy kann man nicht mehr zerlegen, anschauen, sagen – so funktionieren sie – und sie dann wieder zusammenbauen. Das braucht eine neue Art zu lehren. Waldorfpädagogik kann solch eine neue Art zu lehren sein: Sie kann Distanz überwinden und grundlegende Erfahrungsfelder schaffen.

Die PISA-Studie bestätigt das nun schon zum dritten Mal. »Die relativ hohe naturwissenschaftliche Kompetenz der Waldorfschüler in Kombination mit äußerst hohen motivationalen Merkmalen … legen den Schluss nahe, dass die Regelschulen durchaus von den Waldorfschulen lernen könnten«, so der letzte offizielle Bericht der PISA-Autoren zu den Erhebungen.

PISA-Ergebnisse 2009: Voraus in Naturwissenschaft, minus in Mathe

In Wien sind nun erstmals Ergebnisse aus der Erhebung 2009 zu hören – wenn auch nur in der mündlichen Präsentation vorab, der offizielle, schriftliche Bericht wird nicht vor dem Frühjahr vorliegen. Christina Wallner-Paschon vom Bundesinstitut für Bildungsforschung, das in Österreich für die PISA-Studie zuständig ist, geht es um den langfristigen Trend: Die Freude an der Naturwissenschaft, am Lesen, das ist weiterhin das große Plus. Auch die kognitiven Werte lassen sich sehen: In Naturwissenschaft zwei mal deutlich besser, im Lesen mal besser, mal schlechter, aber mit sehr geringem Unterschied. Bei Mathematik waren die Ergebnisse zwei Mal eine Nuance unter den Regelschul-Ergebnissen, 2009 ist dieser Abstand noch größer geworden – also sozusagen ein Minus in Mathe.

Phänomenologischer Unterricht fördert die Schüler

Wilfried Sommer von der Pädagogischen Forschungsstelle, der am Lehrerseminar für Waldorfpädagogik in Kassel unterrichtet, freut sich über das – offiziell nachgewiesene – Plus bei den Naturwissenschaften.

Er stellt das Konzept des phänomenologischen Unterrichts am Beispiel Physik vor. Dabei geht es nicht nur darum, viele Versuche zu zeigen, sondern dem Schüler auch Gelegenheit zu geben, selbst die entsprechenden Schlüsse zu ziehen. »Oft sagen mir Eltern: das ist ja ganz nett, was sie da machen, ein weicher Einstieg. Aber wird es nicht Zeit für harte Physik?« Die PISA-Studie macht deutlich: Die Freude, das Interesse an der Naturwissenschaft macht das geforderte »trockene« Faktenwissen erst nutzbar.

Erkunden nicht erklären, belauschen nicht beherrschen

Sommer rät gerade beim phänomenologischen Unterricht Lehrpersonen, immer wieder Fortbildungen zu machen und auch das eigene Verständnis von Naturwissenschaft zu hinterfragen. Man müsse die didaktischen Konzepte mit dem eigenen Bildungsbegriff in einen Dialog bringen. Es geht nicht darum, Erkentnisse zu vermitteln, sondern den Schüler dabei zu unterstützen, Erkenntnisse zu bilden. Und so wird auch das Handy von der Black-Box zum durchschaubaren System, als in Schaltkreise geronnene Intelligenz.

Pauli und Hannes packen ihre Taschen, wollen noch ein wenig Wien erkunden. Drei Jahre ist es bei den beiden her, dass sie am PISA-Test teil genommen haben. Ihr Kommentar: »Es war nicht schwer!« Auch Mathe? »Wenn man die Angabe verstanden hat, waren die Aufgaben leicht im Kopf oder mit einem Zettel zu lösen.« Fertig geworden sind sie allerdings nicht. Und Naturwissenschaft? »Für einen Waldorfschüler simpel!«