Politische Arbeit in Kommune und Kreis – eine Elternaufgabe

Thorsten Ziebell

Auch in unserer Stadt und den Umlandgemeinden gab und gibt es ein bestimmtes Bild der Freien Waldorfschule – als Privatschule für Besserverdiener. Die Waldorf-Kindertagesstätte entspricht zwar auch nicht dem gängigen Bild einer »normalen« Kinderbetreuung, ist jedoch bei den kommunalen Verwaltungen über Abrechnungs- und Genehmigungsverfahren in permanenten Austausch und dadurch besser bekannt.

Lange Zeit wurden wir als Waldorfschule zwar in den Werbepublikationen unserer Stadt und der regionalen Immobilienwirtschaft als Standortvorteil genannt, aber in der gefühlten Wahrnehmung eher geduldet als gefördert.

Trotz der guten Zusammenarbeit bei den staatlichen Abschlüssen mit den betreuenden Schulen und regelmäßigen Einladungen zu den örtlichen Schulleitertreffen blieb bei Politik und Verwaltung das Bild der Privatschule bestehen, die auf leicht beunruhigende Weise aus dem üblichen Rahmen fällt. Auf Grund der trockenen norddeutschen Art wurde zwar nicht von einer Art Sekte gesprochen, aber als »anders« wurden wir Menschen von der Waldorfschule durchaus wahrgenommen.

Da veranstalteten Eltern jedes Jahr einen Herbstmarkt, der zu vollgeparkten Straßen führte, man sah sie Schul- und Kindergartengebäude in Eigenleistung bauen – Eltern, die dann auch noch Anfragen zur Schülerkostenbeförderung und ähnlichem stellten und Gleichbehandlung forderten!

So festigte sich über zwanzig Jahre ein Nebeneinander, mit dem die Schulgemeinschaft nicht zufrieden war.

Wir sind ein Teil der Gesellschaft, und es ist gut, uns in ihr auch bekannt zu machen. Nur wer sich in eine Ecke stellen lässt und dort bleibt, gibt Gelegenheit zu Missdeutungen und Projektionen. Um aus dieser »Ecke« herauszukommen, bedurfte es an unserer Schule der Initiative eines in der kommunalen Politik und Verwaltung bekannten Elternteils. Dieser Mensch führte erst aufklärende Gespräche im Privaten. Dann besuchte er die örtlichen Empfänge auch als Vorstandsvertreter mit der Geschäftsführung. Schließlich konnten wir im Zuge einer Bauplanung erst den örtlichen Fachausschuss für Jugend und Sport zu uns einladen, und letztendlich kamen auch die Fraktionen aus der Stadtvertretung zu Besuch, die dadurch einen Einblick in unsere Struktur und unsere Arbeit erhielten. Unsererseits durften wir wahrnehmen, wie politische Ausschüsse arbeiten. Es hat uns erstaunt, was möglich wird, wenn das Wohlwollen der politisch Verantwortlichen gewonnen ist: Während der Fachausschusssitzung an unserer Schule wurde eine teure Beregnungsanlage für den örtlichen Tennisplatz genehmigt und für sechs Schüler einer örtlichen Schule eine zusätzliche Hortgruppe eingerichtet –, während wir über zwanzig Schüler aus unserer Stadt eigenfinanziert betreuen. Mittlerweile werden wir von den politischen Vertretern aufgefordert, im Sinne der Gleichbehandlung entsprechende Förderanträge zu stellen.

Auch ein neuer Bürgermeister kann hilfreich sein, insbesondere wenn er »frisch« von außen kommt. Diesem wird von Vertretern unserer Schule Wertschätzung gezeigt, etwa indem wir öffentliche Empfänge und Stadtteilveranstaltungen besuchen. Der Bürgermeister hat uns mit Mitarbeitern aus den Fachabteilungen der Verwaltung bei Verhandlungen mit der Kreisverwaltung unterstützt. In der städtischen Verwaltung hat sich der Eindruck von unserer Schule ebenfalls verändert. Wir werden nicht mehr nur als aus dem Rahmen fallende Einrichtung mit Extrawünschen empfunden, nein, wir werden bei öffentlichen Förderungen, zum Beispiel der Schulsozialarbeit, bei der Antragstellung und beim Durchsetzen unserer Rechte unterstützt.

Es hat sich also an unserer Schule gezeigt: Ein offener Umgang mit den regionalen Vertretern aus Politik und Verwaltung verändert deren Bild der Waldorfschule – und gleichzeitig die Förderung dieser Schule – zum Positiven. Dieser offene Umgang miteinander ist auch hilfreich, wenn Projekte mit Hilfe der Mitarbeiter in der kommunalen Verwaltung so beantragt werden können, dass die erklärte Unterstützung aus der Politik umgesetzt und die gesetzlichen Vorgaben berücksichtigt werden. Neben der bereits erwähnten Schulsozialarbeit gilt dies insbesondere bei einer möglichen Förderung unserer nachschulischen Betreuung, da diese nicht zu den gesetzlichen Vorgaben des Hortbereiches passt. Der Einfluss der Regionalpresse darf ebenfalls nicht unterschätzt werden, ist aber ein anderes Thema.

In einem nächsten Schritt wird es darum gehen, diesen Impuls in eine selbstverständliche Umgangsform und auf mehrere Personen zu übertragen. Durch die personellen Wechsel in Politik und Schulträgern bedarf es des Bewusstseins und des steten Anstoßes. Ein Impuls seitens der Öffentlichkeit darf nicht erwartet werden, also liegt es an unserer Schulgemeinschaft, den gesponnenen Faden nicht abreißen zu lassen und ein tragfähiges Netz daraus zu machen.

Zum Autor: Thorsten Ziebell ist vierfacher Schulvater an der Freien Waldorfschule Kaltenkirchen und im Landeselternrat Schleswig-Holstein, im Sprecherkreis des Bundeselternrates und dessen Delegierter in der Bundeskonferenz.

Hinweis: Auf dem Kongress des Bundes der Freien Waldorfschulen in Dresden vom 1.–4. Oktober 2014 wird zu diesem Thema eine Arbeitsgruppe angeboten.