»Bewegt wird die Welt aber von denen, die etwas tun. Auch wenn es mal qualmt.« – mit diesem Statement beendet Henning Kullak-Ublick, Vorstand im Bund der Freien Waldorfschulen, seinen »Standpunkt«. Während dem ersten Satz wohl jeder zustimmen kann, stellt sich beim zweiten die Frage: Wann qualmt es denn, wenn jemand handelt? Sicher nicht, wenn man die alte chinesische Kunst des Schattenboxens beherrscht …
Kullak-Ublick reagiert auf einen Zwischenruf des Schülervaters Thorsten Ziebell. Dieser regte an, die Einflussnahme »zumindest einer Stiftung einer kritischen Betrachtung zu unterziehen«, da Mitarbeiter dieser Stiftung »wie selbstverständlich an internen Arbeitskreisen [des Bundes der Freien Waldorfschulen] teilnehmen«. Es handelt sich, nach Kullak-Ublick um die Software AG-Stiftung (SAGSt). Laut Wikipedia gilt sie als »anthroposophienah« und ist mit jährlich rund 25 Millionen Euro Fördermitteln eine der größten Stiftungen Deutschlands – etwa 12 Millionen Euro kommen jährlich den Bereichen Bildung (Schulen und Kindergärten) und Wissenschaft (Hochschulen und Lehrerbildung) zu Gute.
Ich persönlich habe großen Respekt vor dem Stifter Peter Schnell und halte es für völlig in Ordnung – es geht ja auch nicht anders –, dass die Stiftung darüber entscheidet, welche Initiativen sie fördern will. Dass aber mit Auswahl und Begleitung der Projekte stets Einflussnahme einhergeht, ja dass die Festlegung des Förderbetrages die wirksamste Möglichkeit ist, auf eine Initiative Einfluss zu nehmen, kann m.E. niemand bestreiten. Diesen Einfluss will jede Stiftung ja gerade ausüben und kann ihn auch nicht vermeiden. Sie übernimmt damit Verantwortung und ist gehalten, darauf zu achten, dass der Stiftungszweck erfüllt wird – was hier aber nicht das Thema ist und auch nicht in Frage gestellt wird.
Völlig unverständlich ist mir aber, dass Kullak-Ublick es zwar für lohnend hält, »am Beispiel der Bertelsmann-Stiftung Macht und politischen Missbrauch von Geld in der Tiefe zu beleuchten«, er aber die regelmäßige Mitarbeit der SAGSt in Gremien des Bundes mit »besseres Verstehen der Notwendigkeiten« und als »vertrauensbildende Maßnahme« verteidigt und die Beschäftigung mit dem Zwischenruf eigentlich für Kraftvergeudung hält. Sieht er denn nicht, dass die mögliche Einflussnahme der SAGSt auf das »anthroposophienahe« Geistesleben mindestens so groß ist, wie das der Bertelsmann-Stiftung auf das Bildungswesen Deutschlands? Müsste der Bund der Freien Waldorfschulen, gerade weil seine Aufgabe auch darin besteht, darüber zu wachen, was »waldorf« ist und was nicht, nicht eine erhöhte Sensibilität für mögliche wechselseitige Einflussnahme zeigen? Antragsteller bei der SAGSt ist ja nicht der Bund der Freien Waldorfschulen, sondern sind die einzelnen Initiativen und wir wollen ja sicher alle eine möglichst große Vielfalt und Unterschiedlichkeit von Waldorfpädagogik und darum auch der Waldorflehrerausbildung.
Der »Bund« hätte also dafür Sorge zu tragen, dass möglichst große Transparenz besteht und die Formen der Zusammenarbeit mit der SAGSt gerade nicht eine Abstimmung der Aktivitäten fördern – und da ist doch sicher ihre Mitarbeit in Gremien des »Bundes« nicht hilfreich. Das war Thorsten Ziebell, der sich seit 21 Jahren als Elternvertreter im Bund der Freien Waldorfschulen engagiert, aufgefallen und so hat er den sehr wohlwollenden Zwischenruf formuliert.
Was mag Kullak-Ublick, der, wie er schreibt, der Meinung ist, dass es sich manchmal lohnen kann, sich mit Kritik auseinanderzusetzen, dazu bewogen haben, in diesem Falle das nicht zu tun und stattdessen zu unterstellen, dass der Zwischenrufer sich »mangels eigener Ideen an den Handlungen anderer abarbeitet«? Eigentlich müsste es jetzt in der Elternschaft tüchtig qualmen.
Zum Autor: Dr. Markus von Schwanenflügel ist seit 38 Jahren Oberstufenlehrer, zunächst an der Rudolf-Steiner-Schule Bochum, später an der Windrather Talschule; seit 19 Jahren außerdem Aufbau des Jugendhof Naatsaku in Estland.