Ein Jahr Neuseeland. Waldorfschule mit Landwirtschaft

Eva und Christian Müller

Nach einigen Roadtrips in verschiedenen Teilen der Welt stand Neuseeland ganz oben auf unserer Wunschliste: viel Grün, wilde Küsten, unberührte Natur, endlose Weiten und natürlich die Vulkane. Da mussten wir hin! Neuseeland ist in vielerlei Hinsicht überwältigend. Gerade auf der Südinsel erfährt man ein umfassendes Gefühl von Freiheit und Glück. Wir denken, es liegt neben der weitgehend unberührten Natur an der äußerst geringen Bevölkerungsdichte sowie der damit verbundenen Tatsache, dass es so gut wie keine Staus im Straßenverkehr gibt. Die meiste Zeit hat man nicht einmal jemanden vor oder hinter sich und man kann so gut wie überall mal eben stehen bleiben, um etwas anzuschauen oder ein Foto zu machen. Gelegenheiten gibt es dafür jede Menge.

Am Rückflugtag war uns daher schon klar, dass das nicht unser einziger Neuseeland-Besuch bleiben würde. Es war weit mehr als das typische »Ich will hier nicht weg«-Gefühl, das man häufig bei Urlauben erlebt. Nach einem weiteren Urlaub, Anfang 2010, bei dem wir ausschließlich die Nordinsel bereisten, wollten wir schließlich 2012 zusammen mit unseren Töchtern, die damals sechs und acht Jahre alt waren, ein ganzes Jahr wagen. Wir starteten mit dem Ziel, Neuseeland nicht mehr nur als Touristen zu sehen, sondern selbst zu erfahren, wie es ist, dort zu leben – inklusive Häuschen in der Kleinstadt, Schulbesuch der Kinder in der lokalen kleinen Waldorfschule, und allem, was sonst noch dazu gehört. Einfach nur, um eine andere Lebensweise zu erfahren, und eventuell auch, um unseren zentraleuropäischen Lebensstil einmal aus einer entfernteren Perspektive wahrzunehmen. Im Nachhinein betrachtet war es die beste Zeit unseres Lebens, denn als Familie sind wir dabei deutlich enger zusammengewachsen. Dieses Neuseelandjahr zeigte uns aber vor allem, mit wie wenig man letztlich auskommt. Wir hatten jeder nur einen Reisekoffer und Handgepäck, und erstaunlicherweise fehlte es uns an nichts. Das gemietete Ferienhaus war bereits möbliert und ein einfaches Auto wartete bei der Ankunft am Flughafen in Christchurch auf uns.

Das Leben an der Waldorfschule in Neuseeland

Wir wohnten in einer Kleinstadt mit 10.000 Einwohnern namens Motueka (Maori: Motu = Insel, Weka = Buschhuhn) ganz im Norden der Südinsel. Wir sind hier eher zufällig gelandet. Von Motueka wussten wir bis dahin noch nicht viel, außer dass es zwischen dem berühmten Abel Tasman National Park mit seinen goldenen Stränden und dem weit größeren Kahurangi National Park liegt. Dort herrscht ein entspannter Lebensstil, es gibt 40 Prozent mehr Sonnenstunden übers Jahr als in Salzburg, kaum Frost im Winter, wenig Regen im Sommer.

Der Höhepunkt unseres Neuseelandjahres war ganz klar die Waldorfschule mit ihrer starken Elterngemeinschaft, die uns sofort herzlich willkommen geheißen und integriert hat. Schulbeginn ist um 9 Uhr und die meisten Kinder werden von ihren Eltern direkt zur Schule gefahren, da die Distanzen doch etwas größer und öffentliche Verkehrsmittel Mangelware sind. Doch so entsteht immer ein reges Treiben vor dem Schulgebäude, bei dem man sich mit anderen Eltern austauschen und neue Freundschaften knüpfen kann. Ebenso beim »Pick up« der Kinder um 15 Uhr. Mittwochvormittags trifft sich immer die Puppenbastelgruppe zum gemeinschaftlichen Nähen, Filzen, Häkeln und Stricken von Waldorfpuppen, Tieren und anderen Spielgegenständen, die dann größtenteils bei den jährlichen Frühlings- und Herbst-Festen verkauft werden.

Bei diesen »School Fairs« geht es vorrangig um die Kinder, für die allerlei Spiele und Aktivitäten organisiert werden: vom Kistenstapel-Klettern bis zum Besuch im Feenland. Dabei ist für die Kleinen auch immer Gelegenheit, zwischen den Auftritten lokaler kleiner Bands auf der Bühne das eigene musikalische Talent zu zeigen.

Unterricht auf Englisch

Vor unserem Neuseelandjahr hatten wir große Sorgen, wie es unseren Kindern in der Schule in einem fremden Land in anderer Sprache gehen würde. Als Vorbereitung hatten wir daher zuvor sechs Monate lang Aupairs aus Australien, Kanada und Schottland, die mit den Kindern Englisch üben sollten – was leider kaum klappte, da die Kinder damals zu klein waren, um die Relevanz dieser Aktivitäten zu begreifen. Aber die ganze Sorge war ohnehin überflüssig. In den ersten drei Wochen in der Schule in Neuseeland lernten sie weit mehr Englisch, als in den sechs Monaten zuvor.

Zu unserer Überraschung leben in der Nelson/Tasman Region viele Deutsche, so dass in jeder Schulklasse mindestens drei Kinder zumindest einen deutschsprachigen Elternteil haben und Neuankömmlingen Starthilfe geben. Integration wird hier vorbildlich gelebt. Nach wenigen Monaten konnten unsere Kinder dem englischen Unterricht vollständig folgen und bald wurde Englisch so selbstverständlich wie Deutsch. Auch dank der hervorragenden Waldorf-Lehrer, die die individuellen Fähigkeiten jedes einzelnen Kindes fördern.

Farm-Waldorfschule Motueka

Nach unserem Besuch 2012 konnte die Schule ein 13,6 Hektar großes Grundstück erwerben, auf dem sie einen neuen Schulcampus mit angeschlossener biologisch-dynamischer Farm errichtete. Da der Schulbetrieb fast ausschließlich über die Elternbeiträge finanziert wird, ist so ein Projekt sofort umsetzbar. Und doch wird Hilfe von allen Seiten benötigt. Die Motueka Rudolf Steiner School lädt daher alle Interessierten herzlich ein, vor Ort oder auch aus der Entfernung tatkräftig mitzuhelfen, um diesen Traum eines neuen Schulcampus mit angeschlossener Landwirtschaft so bald wie möglich vollständig umzusetzen.

Die Schule ist stets bemüht, für internationale Gastschüler, die zwischen einem halben und einem ganzen Jahr nach Neuseeland kommen möchten, entsprechende Plätze bereitzustellen.

Die International Student Group der Waldorfschule in Motueka unterstützt gerne tatkräftig bei der Organisation eines Auslandsjahres und steht jederzeit für Fragen bereit.

Über uns

Wir sind mit unseren zwei Mädels Anna und Verena ein gutes Jahr nach unserem Neuseeland-Abenteuer dauerhaft von Salzburg nach Motueka ausgewandert und genießen jeden Tag auf unserem typisch neuseeländischen »Lifestyle Block«: einer kleinen Hobby-Farm auf einem Hektar Hügelland mit Meerblick, mit einem halben Dutzend Schafen, zwei Ziegen, um die zwanzig freilaufenden Hühnern und einem großen Obst- und Gemüse-Garten, in dem ein signifikanter Teil unseres Essens mittlerweile biologisch angebaut wird. Unsere Erfahrungen zur Organisation eines solchen Jahres haben wir auf unserer Homepage www.EinJahr.kiwi gesammelt. Das Portal ist dazu gedacht, Familien, die Ähnliches vorhaben, einen einfachen Leitfaden für ein Auslandsjahr an die Hand zu geben, und dadurch Hemmungen vor dem ersten Schritt zu nehmen.

www.motuekasteinerschool.nz | www.EinJahr.kiwi