Rettungsschirm für die Bildung

Henning Kullak-Ublick

Jedenfalls in Deutschland.

Auch in diesem Jahr liest uns der Bericht einmal mehr die Leviten. Vergleicht man nämlich, welchen Anteil ihres Bruttoinlandsproduktes die einzelnen Staaten in die Bildung investieren, liegt Deutschland weit abgeschlagen am unteren Ende der Skala und wird nur noch von der Tschechischen Republik und der Slowakei unterboten. Von schon 1995 nicht besonders beeindruckenden 5,1 Prozent rutschte Deutschland seither trotz der von Angela Merkel erklärten Zielvorgabe von 10 Prozent auf 4,8 Prozent ab – Tendenz weiter fallend.

Am geringsten fallen die Ausgaben für den Grundschulbereich aus: Während die OECD-Staaten für jeden Grundschüler durchschnittlich 7.200 US-Dollar im Jahr bereitstellen, ist dessen Bildung den Deutschen gerade einmal 5.900 Dollar wert.

Es ist eine pädagogische Binsenweisheit, dass in den unteren Schulklassen die Grundlagen für das gesamte weitere Lernen gelegt werden, weil die Kinder dort die elementaren Lernerfahrungen machen, die ihr gesamtes weiteres Leben prägen: Werde ich gesehen, ernst genommen und gefördert? Wird mir bei der Überwindung meiner ganz persönlichen Hindernisse geholfen? Ist das, was ich in der Schule erlebe, wirklich wertvoll, weil es etwas mit meinem Leben zu tun hat? Bin ich Teil einer lernenden Gemeinschaft? Habe ich immer wieder Grund, mich am Lernen zu freuen? Lerne ich an einem Ort, den ich gerne aufsuche? Oder bleibe ich in meinem sozialen Ghetto auf mich allein gestellt, lerne, dass sowieso alles keinen Zweck hat und Schule einfach blöd ist, weil sie etwas verspricht, das sie nicht hält?

Jeder Euro, den wir für eine bessere Ausstattung der jüngsten Schulklassen, für Zweitkräfte, individuelle Fördermaßnahmen und eine pädagogisch sinnvolle, weil lebendige Erweiterung des Ganztagsangebotes ausgeben, macht sich hundertfach bezahlt – biographisch, kulturell, sozial und nicht zuletzt ökonomisch. Es besteht, auch das wurde vielfach belegt, ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Schulbildung und persönlich erlebtem Glück, sozialem Engagement, wirtschaftlichem Unternehmergeist und kultureller Toleranz – von der Fähigkeit, dem Leben einen kreativen Sinn zu geben, ganz zu schweigen.

Den nächsten Schirm sollten wir für unsere Kinder reservieren. Vielleicht können wir dann irgendwann an den sehr viel teureren Rettungsschirmen sparen, die ein entfesselter Egoismus jetzt nötig macht.

Henning Kullak-Ublick, Vorstand im Bund der Freien Waldorfschulen und bei den Freunden der Erziehungskunst Rudolf Steiners, seit 1984 Klassenlehrer in Flensburg, Aktion mündige Schule (www.freie-schule.de)