Im einführenden Teil behandelt sie mehr allgemeine Fragen an Schule und Gesundheit und stellt das anthroposophische Menschenbild dar. Es folgt ein Kapitel zu den von ihr erforschten fünf salutogenetischen Prinzipien der Waldorfpädagogik und dem »pädagogischen Hauptgesetz«. Daran schließen sich die »Jahresmeilensteine der Entwicklung und ihre Resonanz im Waldorflehrplan«. Hier werden die menschenkundlichen Phänomene von der Geburt bis zum 21. Lebensjahr beschrieben und in einen lebenspraktischen, aktuellen Kontext gestellt. Es werden ehrliche und praktikable Anregungen gegeben, die eingebettet sind in ein tiefes Verständnis der großen Aufgabe, unsere Kinder in ein gesundes Leben zu begleiten.
Es folgen Kapitel über Sexualität und Identität, über die Bedeutung der Eurythmie, der Religion, des Technik- und digitalen Unterrichts. Das Buch schließt mit Betrachtungen zur Lehrergesundheit und zur schulärztlichen Tätigkeit.
Der Leser merkt dem ganzen Buch an, dass Glöckler zunächst als Kinder- und Jugendärztin, später 28 Jahre als Leiterin der medizinischen Sektion am Goetheanum geübt und gelebt hat, was sie hier in einer authentischen, lebenspraktischen Zusammenfassung beschreibt: In unserem Ich liegt die Fähigkeit zur Selbstannahme und Selbstwirksamkeit, aber auch die Kraft, uns über das bloß Persönliche zum Allgemein-Menschlichen zu erheben. Ihm wohnt ein integratives Vermögen inne, das auf den ihm anvertrauten Organismus und das soziale Umfeld heilend wirken kann. Es dient selbstgewählten Aufgaben und versucht doch immer wieder, das Verbindende in den Mittelpunkt zu stellen.
Wir lesen das Buch einer Ärztin, die tief mit dem Heilungsimpuls des Menschseins in der Gemeinschaft verbunden ist. Da dies im Lebensalltag nicht von selbst geschieht und Glöckler hier einen wichtigen Schulungsimpuls sieht, geht sie auf die vier Tugenden, die Rudolf Steiner den Lehrern anempfohlen hat, ein: Initiative, Interesse, innere Wahrhaftigkeit und Humor – »dies aber sind zugleich die wichtigsten Qualitäten, die wir zur Pflege einer guten Beziehung brauchen: immer wieder neu aufeinander zuzugehen, sich wahrhaft zu interessieren für den Weg und die Entwicklung des Anderen, ehrlich miteinander zu sein und sich über Fehler und Probleme – die eigenen und die der anderen – nicht zu ärgern, sondern aus ihnen zu lernen.« In meinem Umgang damit merke ich, wie oft und gerne ich mich (über andere) ärgere. Welche Schwelle es für mich zu überspringen gilt, um in diesen Situationen mit einem initiativen Einfall aus der Ecke zu kommen, mich wirklich für den Anderen und die Situation zu interessieren. Und dabei nicht scheinheilig zu sein, sondern ehrlich zu mir zu stehen. In den Momenten, in denen dies gelingt, spüre ich förmlich den kleinen Ruck ins Leben, ins Wachsen, ins Licht. So wünsche ich diesem alltagstauglichen und zugleich wissenschaftlichen Buch recht viele Leser!
Michaela Glöckler: Schule als Ort gesunder Entwicklung, 252 S., EUR 18,–, edition waldorf, Stuttgart 2020