Auf die Persönlichkeit kommt es an

Helmut Fiedler

In drei großen Kapiteln wird der Leser mit Theoretischem und Beispielen aus der Praxis bekannt gemacht; zu jedem Artikel finden sich etliche Literaturangaben.

Ich möchte mich hier auf das dritte Kapitel – aktuelle Herausforderungen an die Lehrerbildung – konzentrieren. Als aktuelle Herausforderungen werden die Heterogenisierung, die strukturelle Benachteiligung von Schülern mit Migrationshintergrund, die fragiler werdende Gesellschaft sowie die Informationsgesellschaft betrachtet.

Zur Heterogenisierung gehört natürlich auch die Inklusion. In einem Artikel wird die Frage der Gerechtigkeit thematisiert: die Schule ist gerecht, die ihren Schülern eine individuelle Entwicklung ermöglicht bzw. sie befähigt, ihr Leben zu leben. Dies könne mit Hilfe der dialogischen Didaktik, durch Projektunterricht oder durch ein Schülerparlament geschehen.

Zur Frage der strukturellen Benachteiligung von Schülern mit Migrationshintergrund wird die Interkulturelle Waldorfschule in Mannheim in Theorie und Praxis dargestellt. Um diese Benachteiligung aufzufangen, sei es nötig, die Selbstbildung der Kinder anzuregen, die kulturelle Vielfalt als Bereicherung zu verstehen, eine frühe Selektion zu vermeiden und den individuellen Bildungsweg zu fördern.

Um in einer fragiler werdenden Gesellschaft zu bestehen, sei eine demokratisch-inklusive Schule notwendig. Hierbei gehe es aber nicht nur um die Vermittlung kognitiven Wissens über demokratische Kompetenzen und Werte, sondern um die Ausbildung von Haltungen; nur so sei ein Zusammenleben sowie das Finden des eigenen Platzes möglich. Anregungen zur entsprechenden Gestaltung von Schule und Unterricht finden sich in zwei weiteren Artikeln.

Auf die Herausforderungen der Informationsgesellschaft schließlich müsse mit einer Medienpädagogik reagiert werden, die die Art des Mediums sowie die entwicklungspsychologische Situation des Schülers berücksichtigt. Bei der Kenntnis der Medien ist der Inhaltsaspekt sowie der Handlungsaspekt wichtig. Der Inhalt eines Bildes und eines Textes mag identisch sein, aufseiten des Schülers werden auf jeden Fall andere Handlungs- und Willensaspekte angesprochen. Die entwicklungspsychologische Situation des Schülers führe dazu, dass es in den Jahren vor der Schule eine indirekte Medienpädagogik gebe, die durch Medienabstinenz gekennzeichnet sei und so durch Bewegung, Kunst u.a. durch direkte Erfahrungen die Grundlagen lege, um in der Zeit nach der Pubertät zu einer direkten Medienpädagogik kommen zu können, in der es um die Nutzung der Informationstechnologien gehe; die Zeit dazwischen sei eine Übergangszeit, in der es u.a. um das Lesenlernen und um die Ausbildung einer Lesekultur gehe.

In dem ersten großen Kapitel – Orientierungsfragen in der Lehrerbildung – geht es in zwei Artikeln darum, dass ihr Ziel der Aufbau einer pädagogischen Handlungskompetenz und der Umgang mit Schülern durch das eigene Menschenbild geprägt sei. Bei der Frage nach dem Menschenbild sei die Leiblichkeit des Menschen ein kulturübergreifendes Element, sie bilde die Grundlage für kognitive Fähigkeiten und Aktivitäten, wie die neue Forschungsrichtung der »embodied cognition« herausgefunden hat. Daher sei z.B. Theaterspielen an Schulen wichtig, um die eigene Leiblichkeit auszubilden.

Das zweite große Kapitel – Persönlichkeitsbildung von Lehrpersonen – thematisiert u.a. die Bedeutung der Kunst in der Lehrerbildung. Hier geht es nicht darum, dass ein Lehrer z.B. gut ein Musikinstrument spielen lernt, sondern dass mit Hilfe der Kunst sich die Persönlichkeit des Lehrers entwickeln und er einen künstlerischen Unterricht geben kann.

Die Vielfalt der Themen gibt einen guten Überblick über die Anforderungen an Schule und Lehrer in der heutigen Zeit. Den Weg über die Seile kann dabei der Lehrer nur durch Selbsterziehung gehen.   

Peter Loebell / Philipp Martzog (Hrsg.): Wege zur Lehrerpersönlichkeit. Kompetenzerwerb, Persönlichkeitsentwicklung und aktuelle Herausforderungen in der Lehrerbildung, brosch., 209 S., EUR 29,90, Verlag Barbara Budrich, Opladen/Berlin/Toronto 2017

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