Beschwingter Dialog

Christian Boettger

Elisabeth Gergely und Tobias Richter haben ein Buch über die Entwicklung der Waldorf­pädagogik als einer Pädagogik des Dialogs geschrieben – ein Buch wie eine grandiose Komposition, wie ein Konzert, das aus mehreren Sätzen besteht und das sogar die Einspielphase des Orchesters einbezieht. Das Thema Dialog wird facettenreich variiert und auf die Entwicklung der Waldorfpädagogik in Österreich bezogen. Es erscheint vor allem mit der Biographie und der Initiative Elisabeth Gergeleys verknüpft, die Ende Februar letzten Jahres in Sekem/Ägypten gestorben ist und das Erscheinen des Buches nicht mehr erlebt hat.

Die Autoren schildern zunächst die Ausgangsbedingungen der Waldorfpädagogik in Österreich. Es folgt ein Kapitel über die erste Wiener Waldorfschule von 1927 bis 1938, dann das zentrale Kapitel »Grande Valse« über die Anfangszeit der Schulgründung. Die Berichte zeigen, unter welchen Mühen, mit welcher Ausdauer und mit wie geringen Mitteln diese Arbeit bewältigt wurde. Eindrucksvoll sind die »Impressionen eines Schulaufsichtsbeamten«, der bestätigt: »Die jungen Menschen sind angstfrei, in ihrem Bestreben natürlich und unbelastet von Drill jeder Form. Der Prozess des Entstehens der Schulleistungen vollzieht sich gewissermaßen entlang der individuellen Entwicklung des Schülers. Vorrang hat eigenes, schöpferisches Denken, Fühlen, Wollen und Tun …«

Einige wichtige Impulse, die weit über Österreich hinausgingen und die eng mit der Wiener Schule verbunden sind, werden gebührend bearbeitet: Die Lehrplanarbeit Tobias Richters etwa bereitete den Boden dafür, dass der Schule schließlich das »Öffentlichkeitsrecht« erteilt wurde. Das bankähnliche Institut Hermes hat neben der finanziellen Unterstützung der Waldorfschulen in Österreich den Aufbau der Schulen in Osteuropa unterstützt. Eine große Ausstrahlung hatte auch die Reihe der »Dialog«-Veranstaltungen von 1993 bis 2004, die mit dem Gespräch zwischen Rupert Sheldrake und Andreas Suchantke ihren Anfang nahm und Geistesgegenwart und Zeitgenossenschaft dokumentierte.

Als Ausblick auf die Zukunft heben Gergely und Richter den  Beitrag der Universität Krems zu einem Netz von Hochschulen zur Waldorflehrerausbildung und zum erziehungswissenschaftlichen Diskurs hervor. Ein Überblick über die 16 Waldorfschulen und Heilpädagogischen Schulen Österreichs und die 30 Waldorfkindergärten rundet das Buch ab, das in erster Linie für die Waldorfschulbewegung in Österreich geschrieben ist. Es ist aber auch ein Buch, das Einblick in Grundlagenthemen der Waldorfpädagogik insgesamt gibt und somit  den Dialog in anderen Ländern befruchten kann.

Elisabeth Gergely, Tobias Richter: Wiener Dialoge – Der österreichische Weg der Waldorfpädagogik, 273 S., brosch. EUR 24,90, Böhlau Verlag, Wien 2011