Das Schulgebäude als »dritter Pädagoge«

Griet Hellinckx

Das Schulhaus gilt neben Lehrern und Schülern als »dritter Pädagoge«. Schulräume können dem Lernen förderlich oder eher hinderlich sein. Lern- und Leistungsfähigkeit, Wohlbefinden und Gesundheit der Kinder und Jugendlichen wie auch der Erwachsenen werden von der Umgebung beeinflusst. Schulbauten wurden und werden jedoch oft ohne Rücksicht auf die wirklichen Bedürfnisse der Nutzer geplant. Dem sogenannten »Fabrikmodell« entsprechend sehen sie wie Krankenhäuser, Behörden oder Produktionsstätten aus. Beton, Stahl und Glas schaffen sterile, unpersönliche Foyers, lange, öde Flure und gleichförmige Klassenzimmer, die Langeweile, Vandalismus und Aggression begünstigen.

Christian Rittelmeyer, der bis 2003 Professor für Erziehungswissenschaft am Pädagogischen Seminar der Universität Göttingen war und ein Experte in Sachen Schulbauforschung ist, hat in einem neuen Buch eine Vielzahl an Forschungen, Gesichtspunkten und Beispielen zu dem Thema zusammengetragen. Die wissenschaftlichen Untersuchungen über die Wirkung verschiedener Räume machen bewusst, was sich in unsere Seh- und Lebensgewohnheiten als normal eingeschlichen hat. Der Leser wird zunehmend sensibilisiert. Anhand von Fotos kann er differenziert erkennen lernen, welche Form- und Farbensprache dem Wohlbefinden förderlich ist oder nicht. In der Farbgestaltung zum Beispiel ist es bei der Wirkung der Farbe wichtig, nicht einfach von den inzwischen allgemein bekannten Aussagen der Farbpsychologie auszugehen. Die Wirkung einer Farbe ist mit abhängig von dem Raumarrangement, der Farbnuance, den Lichtverhältnissen, den weiteren Farben im Raum und der Intensität und Art des Auftrags. Aus mehreren der dargestellten Untersuchungen ergeben sich Kriterien für eine schüler- und lehrergerechte Schulbaugestaltung. Ein wiederkehrendes Motiv ist das des »bergenden Wohnens«, wie Rosa Quint es nennt. Es drückt das Bedürfnis nach einer beschützenden, liebevoll und schön gestalteten Umgebung aus.

Gebäude und Gelände sollten Anregung und Abwechslung statt Monotonie und Langeweile bieten. Farb- und Formgebung sind sinnvollerweise freilassend. Warme und weiche Farben und Formen sind zu bevorzugen. Dieses Buch zeigt, wie wichtig es ist, dass Pädagogen, Architekten und Behörden eine gemeinsame Sprache und ein Gespür für das, was menschengemäß ist, finden, um gemeinsam optimale Bedingungen für die Schularchitektur zu schaffen. Eltern und Lehrern, die Bau- und Renovierungsprojekte planen und umsetzen, ist dieses Buch sehr zu empfehlen.

Christian Rittelmeyer: Einführung in die Gestaltung von Schulbauten. Ein Lehr- und Schulungsbuch, Paperback, 164 S., EUR 48,–, Verlag Farbe und Gesundheit, Frammersbach 2013