Der Herr der Elemente
»Setz dich ruhig hin, wir wollen uns freuen«, fordert Karlik seine Menschenfreundin auf. Karlik? Ein Kobold! Wenn eine so wundervolle Einladung nicht von einem Menschen ausgeht, sondern von einem Hausgeistchen, dann – ja, was dann? Kopfschütteln, Psychiatrie? Kann es normale Menschen geben, die »Naturwesen« sehen und mit ihnen reden? Wer sich auf Bastiaan Baans mutiges Buch einlässt, wird nicht mehr ganz so selbstsicher darüber lächeln können, zumal ein Wort des Apostels Paulus andeutet, worum es eigentlich geht, nämlich Verantwortung: »Verlangend warten alle Geschöpfe auf die Offenbarung der Söhne Gottes« (Röm. 8,19). »Dieses Buch ist kein Luxusprodukt«, betont Baan, »sondern eine Notwendigkeit« – und außerdem eine Herausforderung: Wagen wir es, eine Parallelwelt zu betreten, aus der Gnome, Sylphen, »Salamander« auf uns zu getanzt kommen? Und müssen wir diese skurrile Bande auch noch ernst nehmen, uns um sie kümmern, sie gar retten? Ja! Denn die »Söhne Gottes« sind wir, die Menschen.
Als Entlastungszeugen für die ungewohnte Sicht ruft Baan historische Quellen auf, von den irischen Druiden über Paracelsus bis hin zur Vision einer zukünftigen spirituellen Physik, und als einen der wenigen Menschen, die sich im 20. Jahrhundert ernsthaft mit diesem Themenkreis befassten, zitiert er Rudolf Steiner. Doch was die seltsamen Geschichten über jede Beliebigkeit hinaushebt, ist ein uraltes, fast gänzlich verdrängtes Wissen der frühen Christen: Für sie war Christus »der Herr der Elemente«, König und Erlöser aller Wesen: aller Menschen, aller Karliks dieser Welt und nicht zuletzt der lebendigen Erde selbst.
Wer sich dem Kosmos dieses Buches unbefangen nähert, wird kaum umhinkönnen, hie und da eigene, bislang unverstandene Erfahrungen probeweise einmal aus der Perspektive der Naturwesen zu betrachten. Vielleicht wird er dann erwägen, ob es nicht sogar unausweichlich ist, frei von Egoismus und Vorurteilen gerade diese Seite der Wirklichkeit zu erkunden und dabei auf unscheinbare, über Grenzen hinwegspielende Phänomene zu achten: etwa wie Sonnenflecken über den Waldboden geistern oder wie der Wind singt und flüstert – und ob man vielleicht aus dem Augenwinkel einen »Blick« auffängt. Was immer wir tun, in dem hochempfindlichen Gewebe der Natur tragen wir ständig zum Heil oder Unheil des »kleinen Volkes« bei. Nicht einmal Gedanken sind Privatsache, wie Baan unerbittlich klarstellt: »In dem Moment, in dem wir etwas nur denken, schaffen wir bereits in der geistigen Welt eine Wirklichkeit«. Als Priester der Christengemeinschaft taucht Baan tief ein in christliche Traditionen und ihre in die Zukunft weisenden Konsequenzen.
Die Verbundenheit von Christus mit der Menschenwelt und einer »natura«, die auch Weltseele und »Tochter Gottes« ist, lädt uns eine fast unerträgliche Verantwortung auf: die »Erde«, den »Leib Christi«, zu durchgeistigen, bis sie in ferner Zukunft »zu einem Stern der Liebe wird«.
Bastiaan Baan: Der Herr der Elemente, Naturwesen in christlicher Sicht, Pb., 270 S., EUR 23,–. Verlag Urachhaus, Stuttgart 2006