Der Schöpfer von »Momo« im Porträt

Sebastian Jüngel

Doch weiß man relativ wenig über jenen Autor, der mit seinen Geschichten die Kindheit vieler prägte: Michael Ende (1929–1995), der nur sechs Jahre jünger als Otfried Preußler war und die Phantasie selbst zum Thema in der Kinder- und Jugendliteratur machte – in einer Zeit, in der im gesellschaftlichen Diskurs Realismus gefordert wurde.

Birgit Dankert macht sich auf die Suche nach dem Menschen Michael Ende – in all seinen Unvollkommenheiten: Dem nicht eben fleißigen, aber attraktiven und wirkungsbewussten Lebemann fliegt der Erfolg nicht zu, schon gar nicht, wo er reüssieren wollte: als Theaterautor; der Jungschauspieler leidet unter Lampenfieber; das gemeinsame Kind mit einer früheren Studienkollegin kommt als Fehlgeburt zur Welt, seine Frau Ingeborg Hoffmann stirbt nach 32-jähriger Lebensgemeinschaft verhältnismäßig früh und sein Generalbevollmächtigter verwandelt das Vermögen des Millionärs in Schulden in Höhe von rund sieben Millionen Mark. Zum Verdienst von Dankert gehört, dass sie Zeitzeugen befragt hat und Endes spirituelle Bezüge neutral benennt: Christengemeinschaft, Anthroposophie und Zen-Buddhismus sowie seine Beschäftigung mit Horoskopen und Séancen.

Dankert befreit Ende von der Fixierung auf »Jim Knopf«, »Momo« und »Die unendliche Geschichte«, indem sie die breite Palette seines Schaffens entfaltet: von Liedtexten und Libretti über Illustrationen zu »Momo« bis zur Geldwerttheorie. Nicht erschlossen wird der Schaffensprozess: Wie hat Ende geschrieben? Wie spiegelt sich sein Ringen in Textentwürfen? Nur die ordnende Rolle von Ingeborg Hoffmann wird erwähnt. Dankert weist auf die Schwierigkeit hin, ein rundes Bild von der vielschichtigen Persönlichkeit Endes zu zeichnen. Obwohl sie sich dem Vorwurf des Eskapismus nicht anschließt, klingt er im Untertitel »Gefangen in Phantásien« an, und sie legt Ende auch mal zur Last, »den Weg der absichtslosen Kunst« verlassen zu haben und dass er in Folge des Erfolgs von »Momo« »in einer Aura der Unantastbarkeit« gelebt habe. Insgesamt führt Dankert aber sauber durch Lebensfragen und Lebensdramatik Endes, ergänzt durch ein Personenregister, ein Werkverzeichnis und einen chronologischen Lebenslauf.

Birgit Dankert: Michael Ende. Gefangen in Phantásien, geb., 311 S., EUR 24,95, Lambert-Schneider-Verlag, Darmstadt 2016

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