Die Freiheit setzt sich durch

Renatus Derbidge

Bereits 2007 erschien der Vorläufer dieses großen Wurfs (»Autonomiezunahme als Modus der Makroevolution«), der die Entwicklung des ganzen Tierreichs unter dem Aspekt des zunehmenden Unabhängigwerdens von der Umwelt nachzeichnete. Bewundernswert ist in diesen Werken die Fülle und die Sorgfalt, mit der die Phänomene beschrieben werden. So schätze ich sie als Biologielehrer sehr. Gerade für die Epoche in der 12. Klasse »Evolution und Tierreich« waren sie mir sehr dienlich. Auch in der jetzigen Neufassung wird durch die Darstellung biologischer Trends deutlich, wie die Autonomie in der Evolution bis zu den Säugetieren und dem Menschen zunimmt, obwohl – leider – gerade das genannte frühere Haupt-Kapitel zum Tierreich nun auf wenige Seiten zusammengeschrumpft ist. Notgedrungen bleibt so vieles an der Oberfläche. Die Phänomene sprechen weniger aus sich. Beim an sich löblichen Ziel, mit dem Determinismus aufzuräumen, bleibt Rosslenbroich meist nüchtern und sachlich. Mehr Mut, sich mit den überzeugenden fachlichen Inhalten des Buches an die Front zu wagen, hätte ich mir für solch eine Publikation gewünscht.

Wett wird dieser Mangel durch neue, lesenswerte Kapitel gemacht, etwa jenes über Lernen und Spiel. Auch der Werkzeuggebrauch und die Sprache werden in ihren unterschiedlichen Freiheitsgraden im Grenzbereich von Tier und Mensch schön beleuchtet. Hier erlebt man beim Lesen die Freude, die der Autor an diesen Themen hat und dem Titel des Buches wird hier voll Rechnung getragen.

Bernd Rosslenbroich: Entwurf einer Biologie der Freiheit. Die Frage der Autonomie in der Evolution, geb., 319 S., EUR 28,–, Verlag Freies Geistesleben & Urachhaus, Stuttgart 2018