Erinnerungen an Ernst Weißert

Brighid Schottmann

»Bist du ein Zeitzeuge?« Diese Frage seiner Enkelin gab Matthias Weißert den letzten Anstoß, einen lang gehegten Plan zu verwirklichen, nämlich »Geschichte und Geschichten« seiner Familie zu erzählen und aufzuschreiben. In der Tat ist es eine besondere Familie, an deren Schicksalen uns der Sohn von Elisabeth (1904-1987) und Ernst Weißert (1905-1981) teilnehmen lässt.

Wer das Glück hatte, Ernst Weißert nach dem Zweiten Weltkrieg an der Waldorfschule Stuttgart-Uhlandshöhe als begeisternden Oberstufenlehrer zu erleben und ihm später auf Tagungen der Waldorfschulbewegung begegnete, der er bundes- und weltweit wirkende Impulse gab, der fühlt sich beim Lesen gleich mit dieser ungewöhnlichen Familie heimatlich vertraut verbunden.

Man erfährt, dass die Mutter Elisabeth, geb. Caspari, die Großnichte des seinerzeit berühmten Berliner Kaufmanns James Simon (1851-1932) war, des größten Kunstmäzens der Berliner Museen. Dieser wegen seiner jüdischen Herkunft während der Nazizeit totgeschwiegene und daher weitgehend »vergessene Mäzen« – so der Titel einer ZDF-Sendung im Dezember 2012 – kehrt durch die große Nofretete-Ausstellung in Berlin ins öffentliche Bewusstsein zurück: Er finanzierte die Ausgrabungen in El-Amarna, bei denen am 6. Dezember 1912 die Büste der Nofretete gefunden wurde, die er 1920 dem Museum schenkte.

Ernst Weißert war von 1931 bis zu deren Schließung 1937 Lehrer an der Berliner Rudolf Steiner-Schule. Voller Bewunderung liest man, wie sich die Familie mit der stetig wachsenden Kinderschar in schwieriger Zeit über Wasser hielt, wie sie die zahlreichen Umzüge, Bombenangriffe, schließlich die Nachkriegswirren an verschiedenen Orten der westlichen Besatzungszonen überlebte, bis sie 1946 nach Stuttgart in die »Weißertbaracke« auf der Uhlandshöhe übersiedeln konnte, weil der Vater dort wieder als Waldorflehrer tätig wurde.

Das Buch lässt den Leser durch die lebendige, fesselnde Schilderung selbst zum »Zeitzeugen« werden, besser als manches Geschichtsbuch. 

Matthias Weißert: Wir waren dreizehn. Geschichte und Geschichten einer großen Familie, 266 S., geb., 14,– EUR, Muschel Verlag Köln 2012

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