Gelungenes Porträt

Philip Kovce

Angesichts mancher monumental anmutenden Werke, die in jüngster Zeit versuchten, ein umfassendes Bild Rudolf Steiners zu zeichnen, nimmt sich die von Robin Schmidt vorgelegte Lebensskizze  bescheiden aus. Diese Bescheidenheit, die nicht auf den großen Wurf aus ist, führt just dazu, dass dieser gelingt – denn Schmidts biographische Notiz vermag die Gestalt Steiners in ungewöhnlich dichter, intimer Atmosphäre zur Erscheinung zu bringen; sie ermöglicht eine Begegnung mit Steiners Intentionen, seinen Wegen, Ab- und Umwegen, seinen Tätigkeiten, ja, mit ihm selbst.

Der Autor verzichtet auf jegliche Sekundärliteratur, er zitiert auch Steiner nicht. Sieben Motiven in dem Leben Steiners geht er  chronologisch und zugleich systematisch nach: Heimat, Glück, Spiel, Initiation, Anthroposophie, Goetheanum und Mysterien sind die fokussierten Themen. Die einzelnen Motivschilderungen sind allesamt von einer Grundthese durchzogen, die Schmidt anfangs klar ausspricht: Dass Steiner ein Heimatloser war, einer, dessen Lebensschauplätze sich wie Stationen eines Reisenden ausnehmen, einer, der aus dem Koffer lebte und seine Zelte ebenso oft aufschlug, wie er sie abbrach, einer, dessen Werk größtenteils Fragment geblieben, gerade dadurch aber so zukunftsträchtig geworden ist.

Der nomadische Zug in Steiners Biographie, den Schmidt plausibel freizulegen vermag, ist freilich nicht zu verwechseln mit einer generellen Orientierungs- oder Positionslosigkeit. Denn immer gab es etwas, für das Steiner brannte und für das er seine ganze Lebens­energie aufwandte: für die Auseinandersetzung mit der Geometrie oder mit Kant noch zu Schulzeiten, für die Hauslehrertätigkeit bei Familie Specht, für die Herausgabe der naturwissenschaftlichen Schriften Goethes, zuerst in Wien, zuletzt in Weimar, für die Berliner Arbeiterbildungsschule, für die Theosophische Gesellschaft, schließlich für die unzähligen Bemühungen, die der Etablierung der Anthroposophie als einer zeitgemäßen Wissenschaft vom Geist galten.

Führt man sich diese Lebensstationen vor Augen, offenbaren sich permanent Kontinuität und Wandel. Steiner war nicht bloß ein reisender Verwandlungskünstler auf Erden, er war zugleich ein schöpferischer, freier Geist, der seine Kräfte bis hin zur Umwälzung der irdischen Verhältnisse fruchtbar zu machen wusste. Am Ende des Buches findet sich eine mit Zitaten und Abbildungen ausgeschmückte Übersicht zu Steiners Leben, die die wichtigsten Reisestationen resümiert. Die bis in diese Zusammenschau hinein gelungenen Beschreibungen der inneren und äußeren Situation Steiners machen die Lebensskizze, in die Schmidt immer wieder  eigene Gedankenminiaturen einflicht, zu einem lesenswerten, ja kostbaren biographischen Dokument.

Robin Schmidt: Rudolf Steiner. Skizze seines Lebens. 136 S., kart. EUR 14,–. Verlag am Goetheanum, Dornach 2011

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