Hinter dem Spiegel

Griet Hellinckx

In Alice im Wunderland fragt das weiße Kaninchen in einer Gerichtsverhandlung: »Wo befehlen Eure Majestät, dass ich anfangen soll?« Die Antwort des Königs lautet: »Fange beim Anfang an, und lies bis du an’s Ende kommst, dann halte an.« Diese Buchbesprechung kann vorerst nur ein Zwischenstopp sein. Denn es handelt sich bei dem, was beschrieben wird, um eine weite Reise, einen Schulungsweg. 

Das Vorwort und die Einleitung haben sich als hilfreicher Einstieg erwiesen. Der Autor erklärt, dass er in dem Buch die Grundlagen der Geomantie vermitteln möchte. Die notwendige Wahrnehmungsschulung geht mit einem Verfeinern der inneren Haltung, sowie des eigenen Denkens und Fühlens einher. Daraus erwachsen Erkenntnisse, die den Zusammenhang zwischen Sinnlichem und Übersinnlichem verdeutlichen und den Blick auf die Bedeutung von Orten sowie auf Heilungsimpulse und -bilder lenken. Die Geomantie wird als Erfahrungswissenschaft der lebendigen Erde beschrieben: Methodisch arbeitet sie mit der Entsprechung zwischen den Energien der Erde und denen der Menschen. Sie ermöglicht eine Rückbindung an die geistige Welt, zeigt Wege hin zu einer ökologischen Lebensweise und schafft heilende Ausgleichsmöglichkeiten. Einen ihr gemäßen Ausdruck findet sie nicht nur in einer Forschungsmethodik und -systematik sondern auch in künstlerischen Formen. Für Gregor Arzt, der von Marko Pogačnik ausgebildet wurde und selbst einen musik- und literaturwissenschaftlichen Hintergrund hat, sind es Klänge und vor allem Gedichte, die sich in ihm formen.

Die Anthroposophie bildet für den Autor die Grundlage, um seine Erfahrungen und Wahrnehmungen in einen größeren geistigen Kontext zu stellen. Die Spannweite dessen, was erfasst werden kann, reicht von der eigenen Wohnung über Regionen und Kontinente bis zu einem Betrachten der Erde in ihrer Ganzheit. Die Botschaften von Engeln und Elementarwesen geben den Übenden und Forschenden Erklärungen und praktische Hinweise, die sich oft als hilfreich und heilend erweisen. Die Verbindung mit den Naturkräften ist direkt und nimmt oft geradezu märchenhafte Formen an. 

Im 19. Jahrhundert schrieb der Mathematiker Lewis Caroll Alice im Wunderland und Alice hinter den Spiegeln, zwei Kinderbücher, die bis heute populär geblieben sind. Im zweiten Buch sinniert Alice über die Welt hinter dem Spiegel: »Wie schön das wäre, wenn wir in das Spiegelhaus hinüber könnten! Sicherlich gibt es dort, ach! so herrliche Dinge zu sehen! Tun wir doch so, als ob aus dem Glas ein weicher Schleier geworden wäre, dass man hindurch steigen könnte. (…) Und während sie das sagte, war sie schon auf dem Kaminsims, sie wusste selbst nicht wie, und wirklich schmolz das Glas dahin, ganz wie ein heller, silbriger Nebel.«

Das Wissen um die Erde und ihre feinstoffliche Energiesysteme und Kraftorte gab und gibt es in allen Kulturen. In Europa ist dieses Wissen weitgehend verschüttet. Die Herausforderungen, mit denen wir zurzeit in Form von ökologischen Problemen konfrontiert werden, befördern das Interesse an Einsichten und Methoden, die zu einem zukünftigen, gesunden und bewussten Zusammenleben von Erde und Mensch beitragen können. Ist es da nicht an der Zeit auf die Menschen zu hören, für die der Spiegel zu einem Nebel, durch den man hindurch schreiten kann, geworden ist?

Gregor Arzt, Chakren der Erde. Spiegel der Menschheit, Verlag Urachhaus 2019, 26,- €