Philosophieren über Freundschaft

Henning Köhler

Originalität, gedankliche Klarheit, persönliches Sich-Zeigen und der Mut zum geistigen Abenteurertum bilden hier eine Mischung, die geeignet ist, auch Philosophiemuffeln Lust aufs Philosophieren zu machen.

Ich habe an van der Meulen immer bewundert, wie elegant er sich im Grenzbereich zwischen Philosophie und Spiritualität bewegt. Und wie tief ihn Andersdenkende interessieren. Manchmal gesteht er, dass ihn ein Aspekt seines Themas (etwa die »Entelechie«) überfordert, zum einen weil man in der Sprache des Gegenstandsbewusstseins über Geistiges bestenfalls stammeln kann, zum anderen weil Geheimnisse nicht kleiner werden, wenn man sich ihnen nähert. Und van der Meulen lässt keinen Zweifel daran, dass er einem Geheimnis nachspürt: dem gleichsam sakralen Charakter dessen, was sich zwischen Menschen ereignet, die beginnen, einander wahrzunehmen. Eines seiner früheren Bücher (»Herzwerk«) handelt davon, welche Abgründe sich zwischen Menschen auftun und was die Liebe gerade deshalb vermag. Nun spinnt er den Faden weiter, lässt uns teilhaben an seiner Zuversicht, dass eine »Kultur des Herzens« (Bernhard Lievegoed) heraufzieht. »Die Sprache der Nähe ist Poesie«, lautet der Schlusssatz des Buches. Als wollte van der Meulen dem Leser sagen: Genug der philosophischen Erörterungen, demnächst komme ich zur Sache – mit einem Gedichtband.

Wenn sich van der Meulen philosophierend in den Bereich des Unsagbaren vortastet, ist sogar sein Drumherumreden elegant. Ich würde an manchen Stellen anders drumherumreden, andere Bilder wählen, andere Schwerpunkte setzen, fröhlich widersprechen (um ihm dann doch wieder recht zu geben), etwa wenn er behauptet, die Metapher vom Ich als Wesenszentrum sei überholt. Oder was sein Faible für die Postmoderne angeht. Aber das macht nichts. Man muss lernen, »die Fragen selber zu lieben«, schrieb Rilke in seinem Brief an einen jungen Dichter. Dabei kann van der Meulen helfen. Seine Art, die Fragen zu lieben, ist zum Verlieben. Nur in einem Punkt kann ich ihm nicht ganz folgen, nämlich was die angeblich heraufziehende Kultur des Herzens betrifft. Nach meiner Wahrnehmung geschieht das Gegenteil: Machtvoll zieht eine (Un-)Kultur der Herzenskälte herauf. Umso wichtiger, dass es Bücher wie dieses gibt. Mutmachbücher. Bücher, in denen »die Gedanken ein Herz haben«.

Jelle van der Meulen: Der Ruf der Freundschaft. Auf dem Weg zu einer Kultur des Herzens, 238 S., brosch., EUR 18,–, info3-Verlag, Frankfurt am Main 2016

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