Soziales Mysterium

Michael Birnthaler

Im Kern geht es dem Autor darum, die verstreuten allgemein-anthroposophischen Ideen des sozialen Organismus kenntnisreich zu synthetisieren. So erfährt der Leser in einem eindrücklichen Gedankenbogen von den geheimnisvollen Einflüssen der Engelwesen auf die sozialen Prozesse ebenso, wie von den bewegenden Aufgaben der einzelnen Volksseelen und Nationen, bis hin zur Verquickung der sozialen Phänomene mit dem Christuswesen. Neuland betritt Spitta vor allem aber mit seinen Darlegungen zur Viergliedrigkeit der Erde, der Menschheit und des sozialen Organismus. So kommt bei ihm zu der bei »Dreigliederern« gängigen horizontalen Ebene eine vertikale Schichtung hinzu. Und mit dieser Schichtung in die verschiedenen seelischen Niveaustufen tritt gleichzeitig das Soziale in die Dimension der historischen Entwicklung. Hier lässt uns schließlich Spitta durch die Seheraugen Rudolf Steiners einen weiten Blick in die Zukunft werfen. Von der nahen Zukunft – der jetzigen Gegenwart – mit ihren sozialen Bedrohungen im Zeichen der Inkarnation Ahrimans über das Zeitalter des Oriphiel mit seinen sozialen Verwüstungen (gegen 2400 hin) bis zur Spaltung der Menschheit und Armageddon, dem Kampf aller gegen alle am Ende der Zeiten. Vor diesem apokalyptischen Hintergrund gelingt es dem Autor, die menschheitliche Bedeutung der Sozialen Dreigliederung aufscheinen zu lassen – aber auch die Tragik des gescheiterten Kampfes Rudolf Steiners um die Dreigliederungsbewegung nach dem Ersten Weltkrieg.

Als Hoffnungsschimmer bleibt dem Leser, dass die heilsamen Ideen der Sozialen Dreigliederung in den Einrichtungen des freien Geisteslebens und den selbstverwalteten Organisationen weiterleben und möglicherweise in deren Synergien zu einer ersehnten kulturellen und sozialen Erneuerung führen können.

Dietrich Spitta: Der soziale Organismus als Mysterium. Spirituelle Grundlagen des menschlichen Lebens, geb., 332 S., EUR 28,90, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2015