Stifter lesen, heißt Stifter lieben

Maja Rehbein

Dieser Sammelband von Betrachtungen zu dem österreichischen Dichter Adalbert Stifter ist aus einer Tagung am Goetheanum zu Stifters 200. Geburtstag hervorgegangen. Es geht um Leben, Opfer und Schicksal in Stifters Werk und um Dichtung als Weg zur Einweihung.

Das alte Österreich ist untergegangen. Aber die Stimme seines Dichters ist nicht verstummt. Denn Stifter ist nicht »biedermeierlich«, wie manche meinen, sondern hochmodern durch die Vielschichtigkeit seiner Darstellungsweise und die Wahrhaftigkeit der sittlich großen Gedanken. Seine Idee vom »sanften Gesetz«, orientiert an der Wirklichkeit der Dinge, ist weitgehend zukünftig; sie gehört dem esoterischen Christentum an.

Ariane Eichenbergs Beitrag »Steine, Moose und andere Kleinigkeiten – Ereignishaftigkeit in Stifters Erzählungen« zeigt die Methode des Dichters auf. Wo er seine kleinen Schätze ausbreitet, entsteht Stimmung, und die Welt wird groß und wunderbar. Durch die Verlang­samung des Zeitablaufs, die Gründlichkeit und Schönheit der Schilderung, die der Hektik des modernen Lebens konträr ist, tritt der Leser in die Sphäre des inspirierten Wortes ein und erlebt dies als gesundend.

Das Buch bringt als wissenschaftliches Werk auch dem Stifter-Kenner Neues, zumal seine intensive Betrachtungsweise Lebenseinweihung, Reinkarnation und Karma mit einschließt. Jedoch ist es auch zur Einführung in Stifters Welt und Dichtung geeignet. Das in Günter Röscherts Geleitwort genannte Ziel der Autoren, den Leser »zu veranlassen, zu Stifters Schriften zu greifen und ihnen sein Herz zu öffnen« wird erreicht: Der Leser, auch wenn er den Dichter noch nicht gekannt haben sollte, wird ihn schätzen lernen.

Günter Röschert (Hrsg.): Adalbert Stifter, Dichtung als Weg zur Einweihung. Mit Beiträgen von Ariane Eichenberg, Jörg Ewertowski, Ruth Ewertowski und Günter Röschert. 169 S., geb.EUR 16,90. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2009