Wie eine kaputte Schallplatte

Edwin Hübner

Schon Thomas Alva Edison sprach von der Revolution der Schule durch den Einsatz von Filmen im Unterricht. Zu Beginn des Fernsehzeitalters in den 1950er Jahren erhoffte man sich eine wesentliche Verbesserung des Lernens. In den 1960er Jahren sprach man von einer »Revolution der Schule« durch das »Programmierte Lernen«. 1984, als die ersten PCs auf den Markt kamen, titelte der Spiegel: »Revolution des Lernens«. 1996 wurde die Initiative »Schulen ans Netz« ins Leben gerufen. Der Hype der 1990er Jahre wich wenigen Jahren später der ernüchternden Wahrnehmung der Realität. Man sah an der Praxis deutlich, was der Einsatz von Computern im Unterricht wirklich bringt und vor allem: was nicht. Zahlreiche Studien weltweit zeigten, dass – auf längere Sicht – der unreflektierte Einsatz von Computern keinen Lerngewinn bringt. Im Gegenteil: Viele Untersuchungen stellten eher negative Effekte fest.

Aber die Technik entwickelte sich weiter. Eine weitere »Revolution der digitalen Bildung« riefen Bertelsmann-Vertreter 2015 aus. Wiederum liest man absurde Erwartungen: »Selbst der beste Klassenlehrer, Sprachtutor oder Coach, gesegnet mit Empathie, pädagogischem Eros und Interesse an seinem Schüler, wird nicht so individuell fördern können wie der Computer« (Breithaupt 2016). Und diejenigen, die zu mehr Rationalität in der Diskussion über Geräte im Unterricht mahnen und auf kritische Aspekte aufmerksam machen, sind in der Minderzahl. Aber – es gibt sie. Beispielsweise Ralf Lankau, der an der Hochschule Offenburg Mediengestaltung und Medientheorie lehrt. Lankau schaut in seinem Buch »Kein Mensch lernt digital« zuerst auf den Menschen und beschreibt die Art und Weise, wie ein Kind sich entwickelt und welche elementaren Lernvorgänge es durchmacht. Er zeigt die Grenzen des Lernens mit digitalen Geräten und vor allem, ab welchem Alter die Beschäftigung mit Informationstechnologien sinnvoll ist.

Anschließend blickt er auf die technische Entwicklung von Computer und Internet und untersucht, wie sich digitale Technik auf die Humanität einer Gesellschaft auswirkt und auf deren demokratische Verfasstheit. Dabei liegen ihm der Datenschutz und die Sicherheit der Netzwerke besonders am Herzen. Denn die Schulen werden mit digitaler Technik ausgestattet, ohne dass darüber nachgedacht wird, wie die Daten, die bei der Nutzung der Geräte durch die Kinder anfallen, geschützt werden können.

Ein dritter Aspekt, auf den Lankau hinweist, sind die wirtschaftlichen Interessen großer Konzerne, darunter auch Bertelsmann, welche die öffentliche Diskussion prägen, ohne sich allerdings als solche zu erkennen zu geben. Denn durch die Ausstattung von Schulen mit digitalen Geräten und entsprechenden Lernangeboten lässt sich viel Geld verdienen. Dazu werden immer wieder Katastrophenszenarien in die öffentliche Diskussion eingebracht, wonach Deutschland ein »digitales Entwicklungsland« mit einer Vielzahl von »digitalen Analphabeten« sei. Lankau setzt sich mit solchen Behauptungen auseinander und konfrontiert sie mit der Realität, auch mit der ökonomischen. Das Buch endet mit konkreten Handlungsempfehlungen und Alternativen. Sein Anliegen: »Digitaltechnik für den Menschen – und nicht gegen ihn«. Lankaus Buch ist engagiert geschrieben. Es ist für Eltern und Pädagogen, die sich mit der gegenwärtigen Diskussion über den Einsatz digitaler Technologien im Unterricht konstruktiv-kritisch auseinandersetzen wollen, sehr zu empfehlen.

Ralf Lankau: Kein Mensch lernt digital. Über den sinnvollen Einsatz neuer Medien im Unterricht, 191 S., EUR 24,95. Beltz Verlag, Weinheim, Basel 2017

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